„Placebo“ ist ein geflügeltes Wort in der Medizin – sowohl in der Forschung als auch im Alltag der Arztpraxen. Platt formuliert sind Placebos Schein-Medikamente ohne echte Wirkstoffe. Nimmt man jedoch die lateinische Bedeutung des Begriffs „Placebo“ unter die Lupe, kommt schon mehr Licht ins Dunkel: Placebo heißt übersetzt „Es wird mir gefallen“ und ist damit eindeutig positiv besetzt. Denn Placebos wirken frei nach dem Prinzip „Der Glaube versetzt Berge“.
Fast jeder Mensch hat den berühmten Placebo-Effekt schon einmal am eigenen Leibe erfahren – sei es, dass er bei Nervosität eine Baldriantablette einnahm und schon wenige Minuten nach der Dosierung eine Erleichterung empfand, obwohl in dieser kurzen Zeit gar keine Wirkung eintreten kann; sei es, dass er auf dem Höhepunkt seiner Beschwerden den Arzt aufsuchte und bereits beim Sitzen im Wartezimmer eine deutliche Besserung einsetzte.
Der Mechanismus hinter diesem Placebo-Prinzip ist der Effekt positiver Gedanken auf das subjektive Empfinden: Weil der Patient weiß, dass das leichte Schlafmittel oder der Arzt ihm helfen werden, fühlt er sich bereits besser und geborgener. Der Körper entspannt sich, die Schmerzen oder die Nervosität klingen ab.
Fatal wäre es jedoch, auf eine solche Placebowirkung zu hoffen, wenn eine ernsthafte, behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt. Zwar kann der Arzt in diesem Falle zusätzlich Placebos verschreiben – beispielsweise gegen die Nebenwirkungen anderer Medikamente. Die eigentliche Behandlung muss aber auf tatsächlich wirksamen Substanzen beruhen.
Aus diesem Grund werden bei den Studien zu neuen Medikamenten ebenfalls Placebos eingesetzt: Die eine Hälfte der Versuchspersonen erhält das zu erprobende Medikament, die andere Hälfte bekommt ein exakt gleich aussehendes Placebo verabreicht. Erst, wenn die Heilungserfolge der ersten Gruppe die der Placebo-Gruppe deutlich übertreffen, wird das Medikament als definitiv wirksam angesehen.
Interessant ist jedoch, dass die Placebo-Gruppenmitglieder nicht selten über diverse, meist diffuse Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen klagen. Hier tritt wieder das umgekehrte Prinzip des Placebo-Effektes zu Tage: Die Tester erwarten etwas Negatives – und es trifft ein.
Doch ist es auch möglich, sich selbst den Placebo-Effekt zu nutze zu machen? Indirekt ja: Die Einstellung, mit der einer Erkrankung oder einer Verletzung begegnet wird, ist nicht unwichtig für den zu erwartenden Heilungsverlauf.
Wer fest daran glaubt, dass die verschriebenen Medikamente ihm rasch helfen werden und einer Therapie Vertrauen und Dankbarkeit entgegen bringt, blickt in die Zukunft – also in Richtung Gesundung – und verharrt gedanklich nicht bei seiner Krankheit. Die dadurch resultierende Entspannung und optimistische Grundstimmung können für eine Heilung nur förderlich sein.
Wer hingegen an allem und jedem zweifelt, sich über die Ärzte beklagt und tagein, tagaus auf seine Beschwerden fixiert, verstärkt sein eigenes Leid und ist nicht mehr fähig, nach vorne zu schauen. Er wird auch die winzigsten Nebenwirkungen und Heilungsverzögerungen protokollieren und ist damit fest an seine Krankheit gekettet.
Überdies können Mütter und Väter im Umgang mit ihren Kindern vom Placebo-Effekt profitieren: Kinder leiden oft unter psychosomatisch bedingten Bauchschmerzen. Ist eine ernsthafte Erkrankung als Ursache ausgeschlossen, können ein warmer Tee, eine Kuschelstunde auf dem Sofa, Ablenkung oder Vorlesen genau so heilend wirken wie ein krampflösendes Medikament. Schließlich vermitteln die Eltern ihrem Sprössling das Gefühl: Das wird dir gut tun.
© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten