Oder hätten Sie geglaubt, dass die WHO (Weltgesundheitsorganisation) und die FAO (Welternährungsorganisation) sich vor den Karren der Zuckerlobbyisten spannen lassen? So jedoch geschehen bei der Veranstaltung mit dem Titel „Carbohydrates in Human Nutrition“. Die teilnehmenden Wissenschaftler kamen überein, dass 55% bis 75 % das Limit bei der Gesamtaufnahme von Kohlehydraten der täglichen Kalorienmenge sein soll. Doch in der veröffentlichten Fassung fehlte diese Angabe. Mehr noch. Sie wurde ins Gegenteil verkehrt. So lautete die Überschrift der offiziellen Pressemitteilung der Welternährungsorganisation: „Eine Expertenberatung über Kohlehydrate in der menschlichen Ernährung hat zusammengefasst, dass es keinen Zusammenhang gebe zwischen dem Konsum von raffiniertem und anderem Zucker und Lifestyle-Krankheiten wie Diabetes, Herzkrankheiten und Übergewicht. Die Experten fanden auch, dass es keinen Beweis dafür gebe, dass Zucker bei Kindern Hyperaktivität verursacht.“
Teilnehmer der Konferenz wie die Professoren Mann und Cummings waren fassungslos und erbost über die Verfälschung, schreibt Grimm.
Zucker macht süchtig und krank
Dem Zucker wird ein gehöriges Suchtpotential bescheinigt. Wo man geht und steht: Die süße Verführung lauert überall. Hirnforscher haben inzwischen herausgefunden, wo der Zucker wirkt. Er stimuliert Regionen tief im Innern des Gehirns. Dort befinden sich die Rezeptoren für Dopamin. Dies Hormon ist für unsere Glücksgefühle zuständig.
Besonders viel Zucker nehmen wir – teils auch unbemerkt – durch Getränke und industriell gefertigte Lebensmittel auf. Gerade Kinder und Jugendliche sind durch süße Getränke besonders gefährdet. Im Durchschnitt nehmen US-Teenager täglich 15 bis 20 Teelöffel Zucker aus Softdrinks auf. Das bekannteste unter den Softdrinks ist Coca Cola, das 106 Gramm Zucker pro Liter enthält.
Der unbemerkte Zuckerkonsum beginnt allerdings schon viel früher. Bereits im Mutterleib werden Babys auf Zucker-Abhängigkeit programmiert. Fortsetzung folgt: Zucker in Baby-Tees und Babynahrung.
Die Folge des enormen Zuckerkonsums sind Krankheiten, deren Kosten die Gesundheitssysteme weltweit sprengen werden. Den Nutzen hat neben der Zucker- auch die Pharmaindustrie, denn für letztere ist es auch ein Milliardengeschäft. Und dabei geht es nicht nur um Adipositas und Diabetes, die inzwischen auch vermehrt bei Kindern und Jugendlichen auftreten, sondern um alle anderen Lifestyle-Krankeiten auch.
Doch der Zucker hat noch andere Schattenseiten: Sklaverei und Kinderarbeit. Der britische Historiker Noel Deerr schreibt: „Wenn wir sagen, dass 20 Millionen Afrikaner dem Sklavenhandel zum Opfer gefallen sind, liegt darin keinerlei Übertreibung. Allein zwei Drittel dieser Opfer sind dem Zucker zuzuschreiben.“ Blutiger Zucker für süße Versuchungen!
Die Lebensmittel- und Zuckerindustrie kassiert Milliarden an Subventionen
Die Zuckerbarone hingegen leben auf der Sonnenseite. Sie treffen sich jedes Jahr bei strahlend blauem Himmel im exklusiven Hotel „The Breakers“ in Palm Beach. Ihre Organisationen residieren an den vornehmsten Plätzen der Welt. Das können sie sich auch leisten, denn nicht nur die Verkäufe, sondern auch die Subventionen durch die Politik sind gigantisch. Alleine in den USA kassieren die Zuckerbarone Subventionen in Höhe von 560 Millionen Dollar jährlich. Auch in Europa fließt reichlich Geld für die Zuckerindustrie. Damit aber nicht genug. Sogar wer Zucker unters Volk bringt, verdient reichlich Geld. Red Bull bekam z. B. in einem Jahr knapp 10 Mio Euro. Auch Coca Cola kassiert fleißig mit. Selbst Ritter Sport, Marmeladenhersteller Schwartau und die Bonbonfabrik Storck sind Nutznießer. Natürlich auch Haribo und Ferrero. Damit aber nicht genug. Selbst Philip Morris erhielt in einem Jahr in Deutschland 540.000 Euro für den Export von zuckerhaltigen Zigaretten.
Zum Dank treten die Zuckerbarone gerne als Wohltäter und Sponsoren auf. Sowohl in den USA als auch hierzulande fließt reichlich „süßes“ Geld in die Parteikassen.
Wie heißt es im Volksmund so schön: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“
Die Wissenschaft ist zwiegespalten
Ohne die Wissenschaft geht es natürlich nicht. Während ein Teil der Wissenschaftler, wie Prof. Robert H. Lustig, sich dem Kampf gegen den Zucker verschrieben hat, lassen sich andere gerne von der Zuckerindustrie über Sponsoring und Forschungsgelder unterstützen. Die Professoren Reinhold Kluthe aus Freiburg und Heinrich Kasper aus Würzburg haben scheinbar keine Berührungsängste mit der Zuckerindustrie. Der Bonner Professor Peter Stehle gründete zusammen mit dem Direktor des Lebensmittelchemischen Institutes des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie das „Bonner Forum Ernährungswissenschaft“.
Doch auch wenn wir uns selbst strenge Disziplin in Sachen Zuckerkonsum auferlegen, werden wir uns nur mühsam vom Zucker fernhalten können. Wer auf Kantinenessen oder Fertiggerichte angewiesen ist, hat schlechte Karten, den eigenen Zuckerkonsum dauerhaft zu reduzieren.
In seinem Buch klärt Grimm fundiert über die gesundheitlichen Risiken des Zuckers auf, zeigt Verflechtungen der Zuckerindustrie mit der Politik, erzählt Historisches über den Zucker und seinen Einzug in unser aller Leben. Am Ende beschäftigt sich der Autor auch mit der süßen Alternative Stevia, die bereits das Interesse der Lebensmittelindustrie geweckt hat.
Wer auch nur das geringste Interesse an gesunder Ernährung hat, wer wissen will, wie unserer Gesundheit auf Staatskosten geschadet wird, sollte dieses Buch unbedingt lesen. Hans-Ulrich Grimm schreibt sehr gut verständlich und spannend zugleich.
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