Wer weniger Zeit mit Essen zubringen muss, hat mehr Freiraum zum Erobern, Entdecken und Erfinden. Aus diesem einfachen Grund könnte die heutige evolutionäre Vormachtsstellung des Menschen der Einführung von Fast Food geschuldet sein. Oder anders formuliert: Mundgerecht zerkleinerte und gekochte Nahrung ist rasch verputzt. Und während die Konkurrenz im Sinne der Darwinschen Evolutionstheorie noch stundenlang auf irgendwelcher schwer verdaulichen Rohkost rumkaut, kann der bestens gesättigte Mensch schon ausziehen, um sich die Welt untertan zu machen. Allerdings müsste die Menschheit, wenn das stimmen sollte, schon ausgesprochen früh den Kochlöffel geschwungen haben. Und genau für diese Vermutung haben Wissenschaftler jetzt präzise Hinweise gefunden.
Schnellrestaurants à la Pleistozän
Schnell essen, und dann schnell wieder ab nach Draußen – das war schon vor wenigstens zwei Millionen Jahren die intelligente Devise des Homo Erectus. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass unsere Vettern, die Schimpansen, in freier Wildbahn sieben Stunden mit dem Aufspüren und dem Verzehren von Nahrung zubringen, dann kann man sich vorstellen, welche enorme Zeitersparnis mit einer zügig einzunehmenden, weil gleichsam „vorverdauten“ Nahrung erzielt werden kann. In diesem Sinne tat der Homo Erectus gut daran, bei Tisch rasch zu schlingen. Möglich wurde dies allerdings nur durch die Einführung der ersten, mit urtümlichen Kochwerkzeugen ausgestatteten Köchinnen. Und denen hat jetzt Chris Organa samt seinem Team buchstäblich ins Maul geschaut.
Zähne zeigen
Organa und seine wissenschaftlichen Mitstreiter haben die Zähne und Kieferknochen unterschiedlicher Primaten, Vor- und Frühmenschen genauer unter die Lupe genommen. Anhand der typischen Abnutzungserscheinungen wollten sie bestimmen, zu welcher Zeit wohl der erste dampfende Gemüseeintopf oder die erste gegarte Mammutkeule auf den Tisch gekommen sein mag. Als Referenz diente ihnen dabei das durchschnittliche gesunde Gebiss, wie es der moderne Zahnarzt heute tagtäglich in seiner Praxis zu sehen bekommt. Unsere modernen Kauleisten sind nämlich inzwischen ausgesprochen zierlich geraten, da wir unsere Zähne nicht mehr für das stundenlange Zerlegen widerspenstiger, zäher und harter Nahrung brauchen. Die Hypothese der Forscher: Wenn ihre knöchernen Studienobjekte ähnlich klein ausfallen, wie ihre modernen Nachfahren, dann haben sie zu Lebzeiten in den Mündern von Schnellessern in prähistorischen Fast Food Restaurants ihren Dienst versehen. Und tatsächlich: Sowohl der Neandertaler als auch der Homo Erectus haben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die gleiche Zeit bei Tisch zugebracht, wie wir das heute tun. Also etwa eine dreiviertel Stunde pro Tag. Was die Schlussfolgerung erlaubt, dass hier schon zünftig gekocht wurde. Und es wäre sogar möglich, dass die Wiege der Kochkunst (und damit der Evolutions-Turbo der gesamten Menschheit) in Ostafrika gestanden hat. Denn es ist ziemlich wahrscheinlich, dass auch schon der Homo Habilis, sozusagen der „Mensch 1.0“, seine Speisen mundgerecht und leicht bekömmlich zuzubereiten verstand. Und auch das ist schon zwei Millionen Jahre her.
Die ältesten Tranchiermesser der Welt
Auf der Suche nach den ersten Küchengerätschaften der Menschheit sind geduldig buddelnde Archäologen fündig geworden. Sie haben Werkzeuge ausgegraben, die eigentlich nur dem Zweck gedient haben konnten, Tiere zu schlachten. Und diese Werkzeuge waren vor 2,6 Millionen Jahren im Gebrauch. Das passt bestens zu den Befunden von Organa.
Was wohl die Anhänger der Steinzeit-Diät von diesen Ergebnissen halten?
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