Es ist ebenso leicht wie bequem, übergewichtige Menschen als haltlose Fresssäcke ohne Disziplin und Willenskraft abzustempeln. Doch dieses vorschnell gefällte Urteil ist sehr oft nicht nur falsch, sondern auch zutiefst verletzend, und außerdem voll am Thema vorbei. Denn Übergewicht ist in zahlreichen Fällen nichts anderes als ein schriller Schrei der Seele nach Hilfe und Verständnis. Und wer diesen gewichtigen Hilferuf lediglich mit neuen und unreflektierten Forderungen nach essenstechnischer Maßregelung beantwortet, hat nichts verstanden und dadurch alles verdorben.
Akkus haben viele Gesichter
Wer von den Kalorien und deren akribischer Begrenzung spricht, bemüht eine in der Physik zwar inzwischen veraltete, aber in allgemeinen Sprachgebrauch unerschütterlich präsente Begrifflichkeit. Denn die gute alte Kilokalorie (kcal) ist nichts anderes als eine physikalische Einheit für Energie. Und Energie kann man in guten Zeiten speichern, um in mageren Zeiten von einer intelligenten Vorratshaltung wirtschaftlich zu profitieren.
Alle Besitzer von Hybridfahrzeugen werden dazu souverän lächeln, denn je voller der Akku, desto mehr können einem die Spritpreise am Allerwertesten vorbei gehen. Doch wenn die Akkus an Bord keine Nickel-Metallhydrid-Technologie haben, sondern simple Fettzellen mit entsprechender unschöner Ausdehnung sind, dann verkommt die clevere Energiespartechnologie sehr rasch zum sozial geächteten kosmetischen Problem. Und der Mensch, der ganz offensichtlich über enorme Energievorräte verfügt, wird nicht bewundert, sondern belächelt. Wenn nicht Schlimmeres.
Fettzellen haben ihren eigenen Kopf
Dicke Menschen sind Leute, die sich eine enorme und durchaus erstaunliche Energie in die körpereigenen Speicher gepackt haben, aber diese wertvollen Reserven ganz offensichtlich aus Prinzip nicht angehen. Doch warum tun sie das nicht? Diese simple Unstimmigkeit rührt an die psychischen Grundfesten des Übergewichts. Denn die Frage, wann und wofür man seine Energien sinnvoll investiert, beantwortet nicht nur der Intellekt allein. Während der hirnlose Akku einer Batterie auf Knopfdruck sofort hergibt, was er hat, fragt sich die menschliche Fettzelle: Darf ich das jetzt abgeben?
Was, wenn es mal wieder etwas länger dauert? Was, wenn ich jetzt alles sinnlos verschwende, was ich so gewissenhaft gebunkert habe? Was, wenn ich nicht gut haushalte und der Mensch es deswegen nicht packt? Mit einem Akku diskutiert man als Mensch normalerweise nicht. Doch wenn es sich bei dem Akku um die eigenen Fettzellen handelt, sollte man diese kurzsichtige Sichtweise besser ganz schnell aufgeben. Denn der Speck sitzt, evolutionsbedingt, am längeren Hebel.
Wer zu dick ist, hat zu viel Energie
Energie, die man Gewinn bringend umsetzt, geht ihrer nützlichen Wege. Doch wer als offenkundig energiegeladener Mensch nichts wagt, nichts riskiert und nichts tut, der bleibt auf seinem Energie- bzw. Fettberg sitzen. Und dann hilft auch die härteste Diät nichts. Denn die angesammelten und angestauten Energien wollen etwas bewirken, und nicht einfach so verpuffen. Wer zu dick ist, hat wahrscheinlich in seinem Leben einfach noch nicht jene Aufgabe gefunden, in die er all seine Energie restlos investieren möchte. Da könnte die Suche nach dem ultimativen Lebensziel mit Sicherheit deutlich mehr bewirken als die Befolgung der neuesten Diät, mit der die Seele keinen Vertrag hat.
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