Sind bei einer Krankheit medizinische Maßnahmen notwendig, kommt schnell die Compliance ins Spiel. Was im Deutschen auch Therapietreue genannt wird bezeichnet die Kooperation des Patienten bei therapeutischen Empfehlungen. Sie gilt als gut, wenn ein Patient konsequent 80 Prozent oder mehr aller therapeutischen Ratschläge beherzigt und umsetzt. Läuft es nicht so gut, spricht man von Non-Compliance oder fehlender Therapietreue. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO ist das Nichteinhalten von Behandlungsplänen weltweit stark verbreitet und führt neben individuellem Leid zu vermehrten Ausgaben im Gesundheitswesen.
Die fünf Dimensionen der Compliance
Fehlende Therapietreue wird zwar schnell als Unwillen des Patienten ausgelegt, aber das ist voreilig. Es gibt viele Gründe, warum Behandlungspläne nicht eingehalten werden. Die WHO unterscheidet hierbei fünf Faktoren. Auf sozialer und ökonomischer Ebene hängt die Compliance mit dem finanziellen und kulturellen Hintergrund des Patienten zusammen, aber auch mit Alter, Bildungsstand sowie der Erreichbarkeit des Arztes. Systembedingt hat es einen Einfluss, ob der Patient sich in der Versorgungslandschaft zurecht findet und der Arzt die richtigen Maßnahmen kennt. Darüber hinaus spielt die Kommunikation zwischen Arzt und Patient eine Schlüsselrolle. Krankheitsbedingt ist es relevant, ob es überhaupt wirksame Therapien gibt und der Betroffene einen Leidensdruck entwickelt, der ihn auch unangenehme Maßnahmen in Kauf nehmen lässt. Auch der Glaube an den Nutzen der Behandlung ist wichtig. Hier kann allerdings die Krankheit selbst ein Stolperstein sein – wenn zum Beispiel Demente den Nutzen der Medizin nicht abschätzen können oder Depressiven der Glaube fehlt, dass überhaupt etwas helfen könnte. Therapiebedingte Faktoren sind: Behandlungsdauer, Komplexität der Therapie, Nebenwirkungen und die Abstimmung der Maßnahmen auf den Patienten. Die fünfte Dimension sind die patientenbedingten Faktoren. Diese umfassen die Fähigkeit, das eigene Leben mit einer Krankheit organisieren zu können, das Wissen um Wirkungen und Nebenwirkungen therapeutischer Ratschläge und die Motivation, Verantwortung für das eigene Wohlergehen zu übernehmen.
Non-Compliance – Warum halten sich Patienten nicht an therapeutische Empfehlungen?
Bei der Non-Compliance wird die primäre von der sekundären unterschieden. Von primär fehlender Therapietreue spricht man, wenn die Patienten Rezepte für Medikamente oder Heilmittel gar nicht erst einlösen. Schätzungen gehen davon aus, dass das auf 20 Prozent bis zu einem Drittel aller in Deutschland ausgestellten Rezepte zutrifft. Bei sekundär fehlender Therapietreue treten Schwierigkeiten in der Umsetzung der Maßnahmen auf – Medikamente werden unregelmäßig oder in falscher Dosierung genommen, Verhaltensänderungen finden nur bei Therapiebeginn oder nur in Teilen statt, häusliche Aufgaben aus Logopädie, Ergotherapie oder Physiotherapie werden nicht, ungenügend oder falsch umgesetzt. Dies trifft auf circa ein Drittel der Patienten zu. Das letzte Drittel der Patienten gilt als compliant und hält sich zu mindestens 80 Prozent an die therapeutischen Empfehlungen.
Dabei ist die Non-Compliance in einem Drittel der Fälle gar nicht beabsichtigt – viele Faktoren führen dazu, dass die Heilmaßnahmen nicht greifen: Patienten verstehen die Anweisungen des Arztes schlicht nicht, haben Schwierigkeiten, die Medikamentenpackungen zu öffnen oder sind von komplizierten Einnahmeempfehlungen und komplexen Übungsaufgaben überfordert. Den anderen zwei Dritteln fehlt es an Motivation oder Einsicht, sie vergessen die medizinischen Ratschläge oder finden, dass diese zu stark in ihr Leben und ihre Selbstbestimmung eingreifen und wehren sich dagegen, indem sie diese nicht umsetzen.
Die Folgen der Non-Compliance
Die individuellen Folgen von Non-Compliance sind beträchtlich: Die Therapie wirkt nicht oder nur teilweise, es kommt zu vermeidbaren Nebenwirkungen oder Resistenzen, Erkrankungen flammen immer wieder auf, der Entwicklung von Folgeerkrankungen ist Tür und Tor geöffnet. Aber auch volkswirtschaftlich hat fehlende Therapietreue immense Auswirkungen. In Deutschland werden nach Zahlen aus dem Jahre 2007 die Kosten von direkter und indirekter Non-Compliance auf 7,5 bis zehn Milliarden Euro geschätzt, jährlich. Eine Untersuchung aus dem Jahre 2011 kommt zu dem Schluss, dass das bei 82 Millionen Bundesbürgern bedeutet: Jährlich werden durchschnittlich 122 Euro pro Kopf aufgrund von fehlender Therapietreue ausgegeben.
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