Die moderne Version von „David gegen Goliath“ heißt „Krankheitskeim gegen Mensch“. So winzig klein und dabei so trickreich sind unsere todbringenden Feinde, dass wir ihnen nur wenig mehr als durch nackte Panik motivierte Rundschläge entgegenzusetzen haben. Und dieses blind aktionistische Keulenschwingen trifft leider in aller Regel die Unschuldigen, während die lästerlichen Keime weiterhin feuchtfröhliche Urstände in unseren Körpern feiern. Dabei war (und ist) EHEC nicht die erste vitale Bedrohung dieser Art, und sie wird auch nicht die letzte sein. Doch woher kommen auf einmal all diese mysteriösen Angreifer, die sämtliche Seuchenkontrollbehörden in ihrem hilflosen Streben ziemlich alt aussehen lassen? Haben am Ende die Verschwörungstheoretiker mit ihren düsteren Erklärungsversuchen doch Recht? Oder ist es einfach nur die gequälte Natur, die gnadenlos zurückschlägt?
Fehleinschätzungen, die die Welt veränderten
„Louis Pasteurs Bakterientheorie ist ein lächerliches Märchen“, so ätzte im Jahre 1872 Pierre Pachet, ein zu seiner Zeit hoch angesehener Professor der Physiologie. Die Wissenschaftlergilde hoch zu Ross hat sich schon immer ausgesprochen schwer damit getan, neuen Erklärungsansätzen Gehör und Aufmerksamkeit zu schenken. Es könnte ja sein, dass man in der Folge aktueller Erkenntnisse tradierte Glaubenslehren als bedauerliche Irrtümer über den Haufen werfen müsste; eine wahre Horrorvision für alle Elfenbeinturmbewohner in ihren mentalen Komfortzonen. Und so hält man in den Forschungslaboren und auf den Quarantänestationen gerne an bekannten Theorien und an den „üblichen Verdächtigen“ fest. Schade eigentlich. Und unendlich traurig für jene, die ihren festen Glauben an die Medizin mit Leib und Leben bezahlen mussten und noch müssen.
Alte Erreger in neuen Schläuchen
Die Weltgeschichte ist voller tragischer Beispiele für Epidemien, deren tatsächliche Ursachen unbekannt, und deren Auswirkungen fatal waren. Besonders geläufig ist sicherlich die Pest, die im Mittelalter die globale Bevölkerungsdichte radikal und unbarmherzig dezimierte. Damals machte man Brunnenvergifter im Allgemeinen und Menschen unpopulären religiösen Glaubens im Besonderen, ursächlich und direkt für den „schwarzen Tod“ verantwortlich – mit entsprechenden mittelalterlich strafrechtlichen Konsequenzen. In Wahrheit war es aber das Bakterium Yersinia pestis, welches auf infizierten Nagetieren daherkam, und dann auch den Menschen als Wirtsorganismus nicht verschmähte. Auch heute noch gehört der Erreger der Pest nach Einschätzung der WHO zu den größten biologischen Bedrohungen; in bedrückender Nachbarschaft zu Milzbrand sowie zu Viren vom Stamme Pocken, Ebola oder Marburg.
Verschworen oder frisch mutiert?
Immer dann, wenn bis dato eine noch nicht da gewesene biologische Bedrohung auftaucht, deren Herkunft und Verbreitungsweise im Dunkeln dümpeln, werden Verschwörungstheoretiker aktiv. Das ist angesichts der traurigen Hilflosigkeit der Epidemiologie rein menschlich und auch psychologisch nur allzu gut verständlich. Da darf man schon mal mutmaßen, wer da in kaltblütiger Absicht das AIDS-Virus, die Vogel- oder Schweinegrippe, multiresistente Erreger, Krankenhauskeime, oder eben aktuell EHEC unter die Leute gebracht haben könnte. Doch ob hinter diesen Epidemien tatsächlich der soziopathisch agierende Anwärter auf die nächste Weltherrschaft steckt, oder ob die Evolution einfach nur das gemacht hat, was sie immer tut, nämlich neue Modelle auf den Markt zu bringen – wer weiß? In diesem Rätselraten ist nur eines gewiss: Der nächste Horror-Erreger kommt bestimmt. Und mit ihm die nächste Medienpanik.
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