In Glaubensfragen ist die heilige Hildegard von Bingen unantastbar, doch geraten ihre medizinischen Errungenschaften zunehmend ins Visier von Experten, die den Methoden esoterischen Wert zuschreiben, eine belegbare Wirkung verneinen und in manchen Fällen gar von einer gesundheitlichen Gefährdung sprechen. Ein Problem dabei sind auch Produkte, die der heiligen Hildegard zugeschrieben werden, in Wahrheit aber gar nicht von ihr stammen.
Das Geschäft mit dem Namen
Soviel vorweg, einige medizinische Aspekte der Hildegard von Bingen gelten noch heute als empfehlenswert, so zum Beispiel die Verwendung von Dinkelprodukten. Allerdings ist es für den Laien nicht immer nachvollziehbar, welche Produkte tatsächlich von der heiligen Hildegard stammen und welche nicht, worunter sich beispielsweise ein Saft befand, der von Aroniabeeren stammte. Doch die Beeren stammen aus Nordamerika und waren im Mittelalter in Deutschland gänzlich unbekannt. Rechtlich gibt es keine Möglichkeit solch Werbung unter falschem Banner zu verbieten, sodass im Zweifelsfall vom Konsumenten selbst nachgeforscht werden muss. Grundsätzlich schützen kann man sich vor diesen Angeboten also nicht, doch auch die „echten“ Empfehlungen der Ordensschwester sind nicht uneingeschränkt zu empfehlen.
Aderlass bei Mondschein
Einige Methoden der Hildegard von Bingen sind eindeutig der Esoterik zuzuordnen, so zum Beispiel der Aderlass, der noch heute von einigen Heilpraktikern durchgeführt wird. Damit das Ganze aber auch wirkungsvoll bleibt, muss er bei Mondschein durchgeführt werden. Der auch nicht immer ganz einwandfreien Schulmedizin ringt das maximal ein Kopfschütteln ab, jedoch finden sich noch immer jede Menge Anhänger dieser Methode der Alternativmedizin. Weitere fragwürdige Methoden bestehen daraus, Kräuter einfach auf den Körper zu legen, damit sie wirken oder auch aus der magischen Wirkung von Steinen, mit denen man sich zumindest nicht schädigen kann. Anders sieht es da schon bei Rezepturen aus, die Wolfsmilch oder Maiglöckchen enthalten. Johannes Mayer, Leiter der „Forschergruppe Klostermedizin“ an der Universität Würzburg zählt solche Rezepturen der Hildegard zu denen, die der Wissenschaftler garantiert nicht einnehmen würde.
Klare Worte von der Stiftung Warentest
Zu einem unmissverständlichen Schluss in Zusammenhang mit der Alternativmedizin ist die Stiftung Warentest gekommen. Die Autoren des Handbuchs „Die andere Medizin“ geben ein vernichtendes Urteil und bezeichnen die pflanzliche Medizin der heiligen Hildegard als nicht empfehlenswert und raten die Behandlung mit Edelsteinen ganz abzulehnen. Man stehe auch nach wie vor zu dieser Meinung, teilte die Stiftung der Zeitung „Die Welt“ mit. Klagen gegen die Publikation von Anbietern der pflanzlichen Produkte und Edelsteine hätte es bislang noch nicht gegeben. Unterm Strich muss man als Patient auch sicherlich selbst abschätzen, wie viel Hildegard von Bingen gut tut und wie viel nicht. Denn einiges war sicherlich eine gute Methode im Mittelalter und ist mittlerweile überholt, doch lässt sich hier mit ein wenig Forschung auch schnell die Spreu vom Weizen trennen. In ein- oder zweihundert Jahren wird man schließlich auch unsere jetzige Schulmedizin als überholt belächeln und Vieles, das im Argen liegt, wird bis dahin noch aufgedeckt werden.
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