Montags musikalische Früherziehung, dienstags Schwimmen, mittwochs English for Beginners, donnerstags Tanzen, freitags Töpfern, am Wochenende durchgeplante Besuche bei Freunden und Verwandten – manch ein kleiner Mensch hat einen Terminplan, der jedem Vorstandsvorsitzenden zur Ehre gereicht. Brauchen Kinder soviel Input? Und wenn ja, wozu? Ist es schlimm, sich zu langweilen? Und was macht eine Kindheit eigentlich wirklich richtig toll?
Der Ehrgeiz der Eltern
Schon im Mutterleib werden die lieben Kleinen mit klassischer Musik beschallt, und die Pläne der werdenden Eltern sind erschreckend präzise. “Natürlich muss unser Kind ein Instrument erlernen, wegen der geistigen Entwicklung! Selbstverständlich erziehen wir das Kind zweisprachig, wie soll es sonst später auf dem Arbeitsmarkt mithalten? Sport muss sein, das stachelt den Ehrgeiz an!“ Solche und tausend andere Argumente zeigen deutlich, dass viele Eltern angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen, im Schatten von Pisa und Bildungsreformen enorm verunsichert sind.
Was muss man denn seinem Kind unbedingt mitgeben auf dem Weg ins Leben? Was schafft tatsächlich Vorteile, und dies um welchen Preis? Der Frühförderungs- und Ausbildungswahn zahlreicher Erziehungsberechtigter wird zudem genährt durch unzählige kommerzielle Angebote. Ständig wird suggeriert, ohne Zusatzförderung könne ein Kind gar nicht mehr mithalten und den späteren Anforderungen gerecht werden. Alle Eltern und solche, die es werden wollen tun gut daran, dem Nachwuchs erst einmal die Chance einzuräumen, sich ganz ungestört zu einer kleinen Persönlichkeit zu entwickeln – mit allen Talenten, Marotten und Eigenheiten, die die Natur bereits angelegt hat. Der Schweizer Kinderarzt Remo Largo bemerkte dazu einmal sehr zutreffend: „Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht!“
Weniger ist mehr
Spätestens im Kindergarten muss man sich dem Vergleich stellen. Es gibt immer Kinder, die reiten, im Sportverein sind, Musikunterricht erhalten, Sprachkurse belegen oder Theater spielen. Gehört es bereits zum guten Ton, die Freizeit der Junioren durchzuplanen? Sind wir es dem Nachwuchs gar schuldig? Blinder Aktionismus ist hier völlig fehl am Platze. Das Maß der Dinge sollte immer im Kind selbst liegen, und in den ersten drei Lebensjahren haben die Sprösslinge ohnehin auch ohne Zusatzprogramm alle Hände und Köpfe voll zu tun, ihre Entwicklung zu bewältigen.
Psychologen warnen vor zu früher Überlastung und plädieren für spezielle „Weiterbildungen“ frühestens ab dem 4. Lebensjahr. Ein bis zwei Termine in der Woche sind dann durchaus vertretbar – vorausgesetzt, das Kind wünscht von sich aus diese Aktivitäten. Es ist nachweislich völlig ineffektiv, aus der Elternposition zusätzliche Förderung zu verordnen, wenn die kindliche Bereitschaft dazu fehlt. Auch wenn Kinder sich ja angeblich für alles interessieren und begeistern, entwickeln sich bereits in jungen Jahren Ablehnung und Vorlieben. Folgt man diesen und eventuell vorhandenen Begabungen, ist die Bereicherung des kleinen Geistes garantiert, im Gegensatz zur unüberlegten Nutzung angesagter Massenangebote.
Wozu das Ganze?
Kinder brauchen Anerkennung und Erfolgserlebnisse. Die Erfahrung, über sich selbst hinauszuwachsen, mit Durchhaltevermögen ans Ziel zu gelangen, neue Ausdrucksformen, Teamgeist, das Erkennen der eigenen Stärke – diese Momente bereiten unsere Kinder optimal auf das Leben vor. Sie schenken ihnen Selbstvertrauen, Kraft, familiären Rückhalt und machen sie zu fröhlichen, glücklichen Menschen. Dies und genügend Raum, einfach nur Kind zu sein, Neugier und Geborgenheit sind die Eckpfeiler einer zufriedenen, ausgeglichenen Kindheit. Kein PISA-Test, kein Aufnahmetest und keine Berufsperspektive rechtfertigt es, seinem Kind diese Zeit mit überfüllten Tagesabläufen, Erfolgsdruck und Stress zu stehlen.
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