Im Film „Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich“ sitzt Dustin Hoffmann als alter Hippie und Freigeist ungeniert auf der Toilette und verrichtet sein großes Geschäft, während der spießige und verklemmte Vater seiner Schwiegertochter im gleichen Bad unter der Dusche steht.
In einem Interview auf diese Szene angesprochen, vertritt Hoffmann die Ansicht, dass solche Dinge in einer Partnerschaft doch auch nicht ungewöhnlich seien. Wer als Mann die Geburt seines Kindes miterlebt habe, könne auch ganz ungeniert die Toilette benutzen, wenn die Partnerin dabei sei. Das gehöre zur Intimität dazu.
Aber ist das wirklich so? Natürlich fallen im Laufe der Zeit Schamgrenzen in einer Partnerschaft, die Frage ist nur, ob das die Intimität fördert oder Partner eher voneinander entfernt. Natürlich kann man sagen, dass solche Dinge dazugehören, dass man keine Geheimnisse voreinander hat und den Partner so gut kennt wie sich selbst. Eine andere Sicht der Dinge deutet solches Verhalten eher als Nichtachtung. Der Partner wird nicht als zweites Ich betrachtet, sondern eher als Unperson. Er wird ignoriert, ist quasi Luft, bzw. seine Meinung zählt nicht.
Die Grenzen sind dabei fließend und von Paar zu Paar verschieden. Manch einer ist schon beim Zähneputzen am liebsten allein im Bad, andere finden nichts dabei, die Blase zu entleeren während der Partner dabei ist. Letztlich kommt es auch auf die Einstellung der Partner zueinander an. Findet man nichts dabei, weil man sich nah ist und miteinander in jeder Situation wohl fühlt? Oder ist es vielmehr egal, was der andere von einem denkt. In diesem Fall entpuppt sich die scheinbar große Intimität als reine Missachtung des anderen.
In einem anderen Film, „Ein Fisch namens Wanda“, gibt es eine Szene, in der sich der Hauptdarsteller John Cleese vor seiner Ehefrau die Fußnägel schneidet, an seinen Socken riecht, um herauszufinden, ob er sie am nächsten Tag noch einmal tragen kann etc. Die Entfremdung zwischen beiden könnte kaum größer sein. Sie leben einfach nur nebenher, ohne sich um den anderen zu kümmern.
Anziehungskraft braucht Abgrenzung, Geheimnisse und Überraschungen. Es mag normal sein, wenn die erotische Spannung in den Jahren des Zusammenlebens nachlässt, während die Intimität zunimmt. Doch ein schneller und völliger Verzicht auf eine eigene Intimsphäre kann dazu führen, sich gehen zu lassen und diesen Prozess zu beschleunigen.
Eine gesunde Partnerschaft findet das ideale Gleichgewicht zwischen dem strengen Aufrechterhalten der Intimsphäre und wachsender Vertrautheit. Vielleicht sollte man nur einfach öfter versuchen, den Partner zu sehen wie in den ersten Wochen. Und überlegen, was man damals in Gegenwart des anderen getan und was man gelassen hat. Natürlich muss einem nach Jahren des Zusammenlebens vieles nicht mehr peinlich sein. Aber umgekehrt muss auch manches Verhalten nicht sein, nur weil man sich lange kennt. Eine gewisse Scham vor dem Partner und das Respektieren der Intimsphäre des anderen ist ein Gewinn für jede Partnerschaft.
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