Gefälschte Arzneimittel sind im Vormarsch. Ob durch Kauf im Internet bei dubiosen Händlern oder vor Ort im Ausland. Oft bergen sie große gesundheitliche Risiken. Und dies gilt nicht nur für Viagra und andere teure Arzneimittel. Vor Kurzem wurde eine große Menge gefälschtes Aspirin in Frankreich sichergestellt. Einige Packungen sind leider noch in Umlauf.
Nach Schätzung der WHO sind 10 bis 30 Prozent der verkauften Arzneimittel in Asien, Afrika und Lateinamerika gefälscht. Im Zeitalter von Fernreisen und Internet stellen gefälschte Arzneimittel auch bei uns ein schweres Gesundheitsrisiko dar. Die WHO geht weiter davon aus, dass etwa die Hälfte der bei dubiosen Internethändlern gekauften Medikamente gefälscht sind.
Der Umkehrschluss könnte nun lauten: Kaufen Sie Ihre Medizin lieber vor Ort in der Apotheke, weil Sie da sicher sein können. Leider ist dies nur bedingt richtig. Durch Medikamentenpiraterie tauchen inzwischen fast überall gefälschte Arzneimittel auf.
Im ersten Halbjahr 2013 wurden 1,4 Mio. gefälschte Arzneimittelpackungen vom Zoll sichergestellt. Das ist eine Steigerung um 15 Prozent im Vergleich zu 2012. In den Jahren 1996 bis 2008 wurden etwa 40 Fälle von Fälschungen im „legalen“ Vertrieb, sprich in Apotheken, verzeichnet. Man muss bei diesem Zahlenspiel allerdings bedenken, dass ein sogenannter Fall durchaus 100.000 Packungen und mehr eines Arzneimittels betreffen kann.
Die Fälschungen sind teilweise derart perfekt, dass sie oft nur mit viel Aufwand vom Original unterschieden werden können. Das können in der Regel dann nur noch Fachleute. Der einzelne Patient ist damit überfordert.
Insgesamt betrachtet bietet die Apotheke vor Ort aber immer noch den größtmöglichen Schutz vor gefälschten Arzneimitteln.
Augen auf beim Medikamentenkauf
Besonders vorsichtig sollten Menschen beim Medikamentenkauf im Internet sein. Dort präsentieren sich inzwischen zahlreiche unseriöse Anbieter. Oft sind die Websites täuschend ähnlich jenen von seriösen Online-Apotheken. Meist erkennt man die Fälschungen am fehlenden Impressum. Abbildungen von Siegeln sind oberflächlich betrachtet kein Schutz, da diese auch von kriminellen Anbietern benutzt werden. Allerdings fehlt hier oft die Verlinkung zum Siegelanbieter. Wer sicher gehen will, sollte die im Impressum genannte Telefonnummer zur Überprüfung anrufen.
Viele Apotheken bieten inzwischen auch einen Bringservice an. Dann kommt jemand zu den Patienten nach Hause, holt das Rezept ab und bringt anschließend das verordnete Medikament. Der Service ist fast immer kostenlos.
Nach wie vor sind Medikamente wie Viagra besonders beim Onlinekauf beliebt. Da es in Deutschland Viagra nur auf Rezept gibt, locken viele unseriöse Online-Apotheken mit rezeptfreien Angeboten. Vom Kauf dieser Präparate ist dringend abzuraten. Im besten Fall haben die Pillen keine Wirkung und es wäre nur das Geld verloren. Oft sind die einzelnen Pillen unterschiedlich dosiert, so dass es nach der Einnahme zu verschiedenen Ergebnissen kommen kann. Tritt der gewünschte Effekt nicht ein, handeln die Betroffenen gerne nach dem Motto: „viel hilft viel“. Das ist allerdings sehr gefährlich, weil eine Überdosis tödlich sein kann.
Arzneimittelhersteller bedauern schwindende Gewinne
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Die Pharmaindustrie beklagt den wirtschaftlichen Schaden, den sie durch gefälschte Medikamente zu verzeichnen hat. Bei kritischer Betrachtung ist sie aber letztendlich auch mit dafür verantwortlich. Heute werden aus Kostengründen etwa 80 Prozent aller Arzneistoffe in China und Indien produziert. Immer höhere Gewinne einfahren zu wollen, treibt die Hersteller dazu, nicht nur die Herstellung von Wirkstoffen, sondern auch die Fertigung von Zwischenprodukten und mittlerweile die gesamte Produktion in fremde Länder auszulagern. In Asien hergestellt, in Ungarn oder Rumänien verpackt, in Malta kontrolliert, zum Schluss nach Deutschland importiert: Solche „Reiserouten“ sind für Arzneimittel längst keine Ausnahme mehr. Wie viele Arzneimittel vollständig oder in Teilen im Ausland produziert werden, ist unbekannt, da die Pharmafirmen keine Auskunftspflicht haben. Sie müssen zwar die gleichen Qualitätsanforderungen erfüllen wie die hier ansässigen Unternehmen, doch wird es im Zeitalter der Globalisierung zunehmend schwieriger, die Hersteller im Ausland wirksam zu kontrollieren. Haben die Kontrolleure einer Pharmafirma erst einmal die Tür der Produktionsstätte hinter sich geschlossen, sind die Hersteller unbeaufsichtigt.
Es gibt viele Möglichkeiten Arzneimittel zu fälschen. Angefangen von der Veränderung der Dosierung bis hin zum Austausch ganzer Zusatzstoffe. Es gibt aber auch Extremfälle. Es wurden schon Arzneimittel gefunden, die in Betonmischern und Lackzentrifugen hergestellt wurden. Diese hatten nicht nur die erforderliche Wirkung nicht, sie waren auch noch mit vielen Giftstoffen belastet. Schäden, die, wenn sie entdeckt werden, vom behandelnden Arzt keiner Ursache zugeordnet werden können, weil die betroffenen Patienten nicht sagen, dass sie Arzneimittel im Internet oder bei einem Auslandsaufenthalt billig gekauft haben.
Die Pharmaindustrie ist glücklicherweise, dank des wirtschaftlichen Schadens, nicht untätig
Die EU hat im Juli 2011 eine Richtlinie zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen veröffentlicht. In Deutschland wird dazu seit Anfang 2013 ein nationales System getestet, um die Echtheit sicherzustellen. Arzneimittel tragen zu diesem Zweck Sicherheitsmerkmale, zum Beispiel 2D-Barcodes, mit denen Apotheker bei der Abgabe prüfen können, ob die Arzneimittelpackung aus legalen Quellen stammt. Diese Prüfverfahren sind kostenintensiv und zeitaufwändig.
Ob auf lange Sicht die steigenden Kosten für eine verlässliche Kontrolle der Arzneimittel die Einsparungen in der Produktion zu Nichte machen, muss sich erst noch zeigen. Am Ende werden es die Patienten bezahlen müssen. Aus eigener Tasche oder über ihre Krankenversicherung.
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