Die personelle Spannweite ist groß: Sie reicht von Theodor Heuß und Reinhold Maier zu Hans-Dietrich Genscher und Walter Scheel. Dazwischen gruppierten sich Politiker/innen wie Hildegard Hamm-Brücher, Karl-Hermann Flach, Wolfgang Mischnick, Otto Graf Lambsdorff oder Wolfgang Gerhard. Ihre Testamentsverwalter und –vollstrecker heißen und hießen Philipp Rösler und Rainer Brüderle. Doch das Erbe ist verschleudert. In dem von Jürgen Morlok herausgegebenen Buch „Liberale Profile – Freiheit und Verantwortung“ stellte der Wissenschaftler Christian Graf von Krockow die leicht bänglich wirkende Frage: „Gibt es eigentlich keine ins Prinzipielle reichende Aufgabe mehr, für die in der Frontstellung gegen die Großparteien zu streiten für Liberale sich lohnen würde?“ Er stellte diese Frage im Jahr 1983; exakt 30 Jahre später, am 22. September 2013 wurde sie endgültig mit Nein beantwortet.
An den Haaren aus dem Wasser gezogen
Um noch einmal den Politikwissenschaftler Grad von Krockow aus diesem Buch und mit Blick auf das Jahr 1983 zu zitieren: „Die Bürger nehmen die FDP – sie schrieb sich seinerzeit mit drei Pünktchen, nämlich F.D.P. – kaum mehr als Partei mit Profil und Programm wahr…Von den knapp drei Prozent der Stammwählerschaft her gesehen handelt es sich im Grunde um eine Splitterpartei am Rande der Bedeutungslosigkeit – oder schon darüber hinaus“. So ist es für viele schon einigermaßen erstaunlich, dass sie sich über weitere 30 Jahre hinweg immer wieder mit dem Schopf aus dem Wasser gezogen und überlebt hat.
Heuß und Scheel waren Bundespräsidenten
Die Freien Demokraten haben mit Theodor Heuß den ersten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gestellt. Sie haben mit Hans-Dietrich Genscher einen für das Wohl des Landes äußerst erfolgreichen langjährigen Bundesinnen- und außenminister aufgeboten, mit Walter Scheel an der Seite des Sozialdemokraten Willy Brandt ebenfalls einen weltweit anerkannten Chef des Auswärtigen Amtes; er war dann der 4. Bundespräsident der Republik. Die Bundesrepublik Deutschland ist von den Liberalen kräftig mitgeprägt worden; ob in Koalitionen mit den Christ- oder mit den Sozialdemokraten.
FDP – „die Dame ohne Unterleib“
Aber am Wahlabend des 22. September 2013, als sie aus dem aktuellen politischen Spiel herauskatapultiert wurden, konstatierten nicht wenige Wahlbeobachter, die FDP habe in den vergangenen Jahren nicht gewusst, ob sie einen wirtschafts- oder einen sozialliberalen Kurs fahren sollte. Auch angesichts der Tatsache, dass der führende Koalitionspartner, die CDU/CSU unter Angela Merkel, zunehmend in sozialliberale Gewässer steuerte. Den Rösler und Brüderle fehlte dann das rechte Kursbuch. Die FDP, schon vor 30 Jahren wegen des fehlenden stabilisierenden Unterbaus in der Gesellschaft „die Dame ohne Unterleib“ genannt, wurde kaum noch um ihrer selbst willen akzeptiert. Dabei wäre es, wenn auch in gewandelter Form, die klassische und auch im 21. Jahrhundert bitter nötige Aufgabe der Liberalen, „der Freiheit und Selbstverwaltung, dem Anspruch der Bürger auf Mündigkeit Raum zu schaffen und diesen Bürger gegen eine Obrigkeits- und Vormundschaftsbürokratie entschieden zu verteidigen“. Das wurde vor 30 Jahren angemahnt – aber in den abgelaufenen drei Jahrzehnten nicht eingelöst. Am 22. September 2013 gab es die Quittung.
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