Letztens wurde im Bekanntenkreis geheiratet. Da das Brautpaar bereits zwei Kinder hat und seit mehreren Jahren liiert ist, kam die Frage auf, warum denn nun nach geraumer Zeit doch eine Hochzeit stattfand. Die etwas saloppe aber durchaus pragmatische Begründung des Bräutigams war, dass zur Eheschließung weniger Unterschriften und Behördengänge nötig waren als zur Anerkennung der Vaterschaft bzw. Erlangung des Sorgerechts für das Neugeborene. In Deutschland ist es demnach einfacher, einen frei auserwählten Menschen offiziell als zugehörigen Partner anerkennen zu lassen als sein eigen Fleisch und Blut aus sogenannter „wilder Ehe“. Spiegelt das unsere Gesellschaft tatsächlich wider oder ist die hinter dieser Gesetzgebung stehende Politik einfach antiquiert?
Einerseits ist es ein schöner und romantischer Gedanke, dass es in der heutigen schnelllebigen Zeit, in der eine Trennung oder Scheidung keine Unmöglichkeit mehr darstellt, recht einfach ist, sich offiziell zu seinem Lebenspartner zu bekennen. Da es aber mittlerweile die unterschiedlichsten Partnerschaftsentwürfe gibt (Zusammenleben ohne Trauschein, eingetragene Lebenspartnerschaften) und das klassische Familienbild durch Alleinerziehende, Patchworkfamilien und Adoption zunehmend aufweicht, muss eine neue Gesetzgebung her. Stellt die bedingungslose Liebe zu einem gemeinsamen Kind nicht eine viel stärkere Bindung zueinander dar als es die reine Partnerschaftsliebe jemals kann? In diesem Fall müsste es bürokratisch einfacher sein, auch im Falle eines Auseinandergehens der Eltern Rechte auf das Kind zu haben- und zwar für alle Beteiligten gleichermaßen und ohne Anforderungen an die partnerschaftliche Verbindung.
Ehegattensplitting versus Familiensplitting
Damit einhergehend stellt sich auch die Frage, wie sinnvoll und effektiv das Ehegattensplitting in der heutigen Zeit noch ist. Der Grundgedanke dabei ist, dass Eheleute eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden und aufgrund ihrer gemeinsamen Leistungsfähigkeit daher ihr Einkommen gleichmäßig versteuert werden muss. Dieses Steuerrecht sollte ursprünglich vor allem der Familienförderung dienen, steht mittlerweile aber eher in dem Ruf, vor allem die Alleinverdienerehe steuerlich zu begünstigen, oder aber solche Ehen, in denen der Mann deutlich mehr verdient als die Frau. Durch das derzeitige Ehegattensplitting wird also das nicht mehr zeitgemäße Bild einer Familie mit einem das Geld verdienenden Mann und einer die Kinder zu Hause versorgenden Frau forciert und moderne Familienverbände wie unverheiratete Paare mit Kindern oder Alleinerziehende werden komplett ignoriert und erfahren weniger steuerliche Entlastung. Diese Ungerechtigkeit könnte das von Bundesfinanzminister Schäuble vorgeschlagene und mit Familienministerin Kristina Schröder ausgearbeitete Familiensplitting aufheben, da dies die Anzahl der Kinder innerhalb einer Familie berücksichtigt und diese dementsprechend steuerlich entlastet wird, unabhängig vom formellen Status des Familienverbundes. Zudem lässt das jetzige Modell verheiratete Frauen und Mütter weniger in den Beruf gehen und arbeitet somit gegen eine totale Gleichstellung der Frau im Berufsleben wie in finanzieller Hinsicht und gegen den politischen Wunsch, Frauen auch vermehrt in Führungspositionen zu bringen.
Adoptionsrecht muss angepasst werden
Es zeigt sich folglich, dass das Ehegattensplitting als familienpolitische Strategie nicht aufgeht und veraltet ist. Daran kann auch die aktuell im Grunde positive Entwicklung nichts ändern, die im Sinne der Gleichstellung aufgrund der Forderung des Bundesverfassungsgerichts das Ehegattensplitting nun auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ausweitet und diese immerhin ebenfalls als eine Wirtschaftsgemeinschaft ansieht. Denn in der Realität sind wegen des eingeschränkten Adoptionsrechts und der damit verbundenen Kinderlosigkeit häufig beide Partner berufstätig, sodass sich kaum steuerliche Vorteile ergeben. Dennoch ist mit dem im Februar dieses Jahres inkraftgetretenen Sukzessiv- bzw. Zweitadoptionsrecht bereits ein wichtiger Schritt getan, um homosexuelle Partnerschaften und Familienverbunde gänzlich mit heterosexuellen Eheleuten gleichzustellen, da nun nicht mehr nur Stiefkinder vom Partner adoptiert werden können, sondern auch dessen Adoptivkinder. Überhaupt ist nun eine Debatte um das Adoptionsrecht entflammt, bei der sich die FDP wie auch die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Ursula von der Leyen für eine Änderung zugunsten gleichgeschlechtlicher Partner aussprechen, während der Großteil der CDU weiterhin die Ehe als das Maß der Dinge erachtet. Aber es wird darüber geredet und nur aus einem politischen Diskurs können Veränderungen entstehen.
Mehr zum Thema Familie:
Die Politik muss handeln
Generell ist fraglich, ob finanzielle Anreize allein ausreichen, um Familien zu fördern und vor allem die Geburtenrate zu steigern. Wichtiger wäre, dafür Sorge zu tragen, dass die Betreuung von Kindern gesichert ist sowie vielfältiger und flexibler wird. Kurzum, die Vereinbarung von Familie und Berufstätigkeit beider Elternteile oder Alleinstehender muss verbessert werden. Auch müssen die Stigmata verschwinden, die sowohl früh wieder in den Beruf einsteigenden wie auch mehrere Jahre den Beruf aussetzenden Müttern anhaftet. Das Schubladendenken in diesen Zusammenhängen sollte aufgebrochen werden, was letztlich nur gelingen kann, wenn die Politik und damit die Gesetzgebung sich dem neuen Facettenreichtum von Familien und den Wünschen der Gesellschaft anpassen.
© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten