Es hat schon den Weg durch viele Münder gefunden: das Carpaccio. Doch woher hat die kalte Vorspeise, die auf der ganzen Welt bekannt ist, ihren Namen?
Am Anfang war das Bild
Von Vittore Carpaccio, dem Sohn eines Pelzhändlers, ist eigentlich nicht viel bekannt. Über seine Geburts- und Sterbedaten gibt es um Jahre unterschiedliche Angaben. Umso bekannter dagegen sind seine Gemälde. Wie etwa das von der „Maria mit Heiligen“ aus dem Jahre 1479, das jüngste bekannte Gemälde, ein Porträt von Dogen Mocenigo aus dem Jahr 1522 oder der „Tod der Maria“ von 1508. Wie kein Zweiter verstand es Vittore Carpaccio Szenen aus der Bibel in das venezianische Volksleben zu übertragen. Mit tollen Lichteffekten und kräftigen Farben zaubert er Momentaufnahmen in einzigartige Landschaften auf die Leinwand. Besonders gerne malte Carpaccio (seine Malereien werden unter anderem in Berlin, Mailand, Paris, Stuttgart und Venedig gezeigt) seine Bilder in kräftigen Rottönen und der Farbe weiß.
Aus der Not heraus entstanden
Dass diese Farbkombinationen einmal Pate sein sollten für ein kaltes Vorspeisen-Gericht, daran hat der Maler wohl nie im Traum gedacht. Aber der findige Bar-Besitzer Giuseppe Cipriani – ihm gehörte „Harry’s Bar“ in Venedig, machte Anfang der 50er-Jahre aus der Not eine Tugend. Eine seiner Stammkundinnen, eine Komptesse, durfte kein gekochtes Fleisch zu sich nehmen. Also kreierte Cipriani eine Speise aus rohem Fleisch. Dazu gebrauchte er zunächst ein Filet vom Ochsen oder vom Rind. Er schnitt das Fleisch in hauchdünne Scheiben, die er dann überlappend auf einem Teller anrichtete. Verziert hat Cipriani das Ganze dann mit einer leichten Mayonnaise. Zu deren Zutaten zählten unter anderem Zitrone und Senf. Inspiriert von den Farbtönen rot-weiß nannte der Kunstliebhaber das Gericht Carpaccio, dessen Bilder übrigens zur gleichen Zeit in Venedig ausgestellt waren.
Heikle Zubereitung
Ein originales Carpaccio zuzubereiten, ist eine nicht ganz einfache Sache. Dazu braucht man ganz frische Zutaten und ein scharfes Messer. Bevor man das rohe Filet in zarte Scheiben schneiden kann, muss es eine Zeit lang im Kühlschrank gefrieren, was Gourmets verpönen, da dies angeblich den Geschmack negativ beeinflussen soll. Ist das Schneiden gelungen, sollten die Scheiben platt gedrückt werden. Am besten ist es, wenn man die Scheiben in Frischhaltefolie einpackt und dann mit dem Nudelholz drüber fährt. Dann bekommen die Stücke die richtige Dicke – sie sind dann fast durchsichtig. Danach werden die Scheibchen auf einem Teller fächerartig angeordnet und kunstvoll mit Mayonnaise angerichtet. Die Vorspeise wird nach Möglichkeit eiskalt serviert, weil Salmonellengefahr droht.
Viele verschiedene Variationen
Doch jede Mahlzeit erfährt im Laufe der Zeit eine Weiterentwicklung. So auch das Carpaccio. Statt der Mayonnaise verwendet man heute Salz, Pfeffer, Zitrone und Olivenöl und bereitet daraus eine schmackhafte Vinaigrette. Dazu werden als Garnitur verschiedene Salate, Champignons, frittierte Kartöffelchen, Pesto, Kapern oder Kräuter gereicht. Aber auch als Basis wird nicht mehr nur Rind- oder Ochsenfleisch verwendet. Mittlerweile gibt es Carpaccio von Fisch, Wild, Geflügel, Gemüse, Jakobsmuscheln, Langusten, Hummern und Früchten. Dem Erfindungsgeist der dazu passenden Marinaden scheint dabei keine Grenze gesetzt zu sein. Dem Siegeszug des Carpaccios auch nicht.
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