Frustessen wurde bislang vor allem mit Depressionen, Langeweile, Einsamkeit und Angstzuständen in Verbindung gebracht. Doch neue Forschungen stellen fest, dass »emotionale Esser« dazu neigen, zu viel zu essen, wenn sie glücklich sind. Experten sind nun der Meinung, dass dem Phänomen »Happy Eating« mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, um die westliche Adipositas-Epidemie mehr einzudämmen. Denn sie glauben, dass emotionale Esser wahrscheinlich eher zu ungesunden Snacks greifen, wenn sie glücklich sind.
Kalorienaufnahme spiegelt Gefühlslage wider
Die neuen Forschungen zeigen, dass Menschen, deren Essgewohnheiten ihre Stimmung widerspiegeln, tatsächlich mehr Kalorien aufnehmen, wenn sie heiter und optimistisch gestimmt sind. Die Ergebnisse der niederländischen Psychologen deuten an, dass das sogenannte »Happy Eating« als Risikofaktor in der weltweiten Obesitas-Epidemie weitgehend übersehen wurde. In Deutschland leidet noch immer jeder Fünfte an Adipositas. Vor allem junge Männer haben häufig einen Body-Mass-Index von mehr als 30 und liegen damit weit über dem Normalwert von 25.
Frustessen ist als einer der Gründe bekannt, weshalb Menschen Schwierigkeiten haben ihr Gewicht zu kontrollieren. Während Stressphasen kann Essen kurzfristig Trost und Wohlgefühl vermitteln. Experten schätzen, dass bis zu 75 Prozent an übermäßiger Nahrungsaufnahme durch Gefühle verursacht wird und Fressattacken mit ungesunden Lebensmitteln oft als »emotionale Krücke« dienen, wenn Menschen unglücklich sind.
Mit Filmszenen wurden Gefühle erzeugt
Forscher der niederländischen Universität Maastricht wollten erforschen, ob emotionale Esser, die sich vollstopfen, wenn sie unglücklich sind, diese Angewohnheit nicht haben bei positiven Emotionen. Sie wählten 87 Studenten aus und beurteilten jeden anhand eines erprobten Fragenkatalogs hinsichtlich ihrer Essgewohnheiten und ihrer geistigen Gesundheit. Danach wurde eine Serie von Experimenten durchgeführt, bei denen die Studenten Szenen aus verschiedenen Filmen oder Fernsehshows anschauten, um bei ihnen eine positive, neutrale oder negative Stimmung zu erzeugen.
Zum Beispiel bekamen sie für eine positive Stimmung zwei Szenen zu sehen. Eine Szene aus der TV-Comedy »Mr. Bean« mit Rowan Atkinson, bei der Mr. Bean während einer Prüfung versucht, die Antworten seines Nachbarn zu kopieren. Der zweite Ausschnitt war die bekannte Szene aus der Filmkomödie »Harry und Sally«, in der Meg Ryan als Sally im Beisein etlicher Restaurant-Besucher einen Orgasmus simuliert.
Um die Studenten in eine neutrale Stimmung zu versetzen, wurde den Studenten eine Dokumentation über Fischfang gezeigt. Für eine negative Stimmung, schauten sie die Szene aus dem Film »The Green Mile« mit Tom Hanks an, in der ein unschuldiger Mann auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wird.
Glücksgefühle verführen zu übermäßigem Essen
Unmittelbar nach dem Anschauen der Filmszenen, wurden den Studienteilnehmern große Glasschalen mit verschiedenen Sorten Chips sowie weißer, Milch- und Bitterschokolade angeboten. Die Forscher notierten die gesamte Kalorienaufnahme nach jeder Szene. Die Ergebnisse, die im Fachjournal »Appetite« veröffentlicht wurden, zeigten, dass wider Erwarten diejenigen Studenten, die als emotionale Esser klassifiziert waren, mehr nach einer positiven Szene gefuttert hatten als nach einer negativen.
In ihrem Studienbericht sagen die Forscher: »Meist ist Frustessen mit negativen Stimmungen verknüpft. Allerdings haben die Teilnehmer nicht übermäßig gegessen als Reaktion auf negative Gefühle, sondern gerade als Antwort auf positive Emotionen. Diese Ergebnisse können für die Behandlung von Obesitas wertvoll sein. Sie unterstreichen die Bedeutung von positiven Gefühlen auf übermäßiges Essen, was oft übersehen wird.« Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Wissenschaftler der Universität Utrecht.
Die britische Psychologin Rose Aghdami, spezialisiert in der Behandlung von emotionalen Essern, sagt, dass Glücklichsein die Kalorienaufnahme ebenso erhöhen kann wie Unglücklichsein. Der Unterschied ist, dass sich die »Happy Eater« durch soziale Funktionen und die Gesellschaft von Mitmenschen mehr verleiten lassen, wohingegen die unglücklichen Esser sich eher zurückziehen, um sich ihren Fressattacken hinzugeben. »Diese Leute haben ein ungesundes Verhältnis zu Nahrung und nutzen sie aus den völlig falschen Gründen«, sagt Aghdami.
Quellen: Peggy Bongers, Anita Jansen, Remco Havermans, Anne Roefs, Chantal Nederkoorn: Happy eating. The underestimated role of overeating in a positive mood, Appetite Volume 67, 1 August 2013, Pages 74–80, DOI: 10.1016/j.appet.2013.03.017
Catharine Evers, Marieke Adriaanse, Denise T.D. de Ridder, Jessie C. de Witt Huberts: Good mood food. Positive emotion as a neglected trigger for food intake, Appetite Volume 68, 1 September 2013, Pages 1–7, DOI: 10.1016/j.appet.2013.04.007
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