Die Auflage hatte im Jahr 1945 satte 9,8 Millionen Exemplare erreicht – in einer Zeitspanne seit 1925/26. Das lag in erster Linie wohl daran, dass in der Zeit des zwölfjährigen „Dritten Reiches“ beispielweise jedes Brautpaar ein Exemplar erhielt. Notgedrungen und dem Befehl des „Führers“ gehorchend; kaum einer hat es zur Gänze gelesen. Adolf Hitler hatte in seinem Pamphlet „Mein Kampf“ eine an den Darwinismus angelehnte „Rassentheorie“ entwickelt, der zufolge die so genannten Arier – also vor allem die Deutschen – „Begründer“ der menschlichen Kultur seien. Als Gegenstück, als Untermenschen, skizzierte er die Juden, die „eine verderbliche Rolle in der Geschichte der Menschheit“ gespielt hätten. Und in knapp zwei Jahren, Ende 2015, läuft die urheberrechtliche Schutzfrist für das Machwerk aus. 70 Jahre nach dem Tod des Autors kann es dann – normalerweise – von jedermann nachgedruckt und verbreitet werden.
Ideologische und rechtliche Fragen
Diese Vorstellung hat die Bundesregierung, die Parteien des Bundestags und die bayerische Staatsregierung jetzt auf den Plan gerufen. Denn es besteht „ein gemeinsames Interesse an einer wirksamen Verhinderung der erneuten Verbreitung dieses menschenverachtenden Gedankeguts“. So heißt es in einer Stellungnahme der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion. Dabei tauchen nicht allein ideologische, sondern auch grundsätzliche rechtliche Fragen auf. So ist die Ausgangslage:
Das Buch ist ab 2016 „gemeinfrei“
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Freistaat Bayern Inhaber der Urheber- und Verlagsrechte, weil München bis zuletzt Wohnort des braunen Diktators gewesen war. Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt nutzte der Freistaat Bayern diese Rechte seither dazu, Nachdrucke des Buches und damit die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts im In- und Ausland zu unterbinden. Dieses ausschließliche Nutzungsrecht endet in Deutschland nach 70 Jahren. Im Fall von „Mein Kampf“ läuft die urheberliche Schutzfrist am 31. Dezember 2015 aus. Im urheberrechtlichen Sinne also wird das Buch somit ab 2016 „gemeinfrei“ und kann grundsätzlich freiweg gedruckt und verbreitet werden.
Es geht um Volksverhetzung
Jetzt prüft die Bundesregierung die rechtlichen Fragen. Ein ausdrückliches, weiter wirkendes Publikationsverbot ist unter dem Stichwort „Pressefreiheit“ am Artikel 5, Absatz 1 des Grundgesetzes zu messen. Dieses Grundrecht indessen gilt nicht vorbehaltlos, sondern findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch der Paragraph 130 des Strafgesetzbuches gehört. Darin geht es um Volksverhetzung.
Bayern plant eine entlarvende, kommentierende Ausgabe
Einer unkontrollierten neuen Verbreitung der Hitlerschen Hetzschrift will außerdem der Freistaat Bayern offensiv begegnen: Bayern selbst will eine wissenschaftlich kommentierte, also eine entlarvende Ausgabe herausbringen, um damit einer Mystifizierung entgegen zu wirken. Ausserdem ist geplant, dass das Münchner Institut für Zeitgeschichte eine Schulausgabe erstellt. Sie soll junge Menschen zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Propaganda-Pamphlet anregen. Dabei soll herausgearbeitet werden, zu welcher weltweiten Katastrophe dieses gefährliche Gedankengut geführt hat“.
Hitler hatte das Buch geschrieben, als er nach seinem Umsturzversuch im November 1923 in der Festung Landsberg inhaftiert war. Das Buch wurde in 16 Sprachen übersetzt und auch nach 1945 im Ausland mehrfach wieder aufgelegt.
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