In einer Zeit uneingeschränkter Globalisierung wird es immer schwieriger alle Kulturen und Religionen unter einen Hut zu bringen. In besonderem Maße äußert sich dies auch in den Schulkantinen, wo bislang keine oder zu viel Rücksicht auf das religiöse Ernährungsverhalten einzelner Schülerinnen und Schüler genommen wurde. Geht es aber nach dem Forscherteam um Professorin Dr. Elisabeth Leicht-Eckardt, so sollte sich die Situation zukünftig massiv verändern.
Ergebnis eines einjährigen Forschungsprojektes
Für das Zentrum für Verbraucherinformation, Ernährung, nachhaltige Lebensmittelproduktion und Nacherntetechnologie der Hochschule Osnabrück ist die Schulverpflegung schon lange ein wichtiges Thema, das in Tagungen und Publikationen auch immer wieder berücksichtigt wird. Seit einem Jahr widmeten sich eine Gruppe aus Ökotrophologinnen und Pädagogen den Ernährungsvorschriften, wie sie durch verschiedene Religionen entstehen. Ziel des Forschungsprojektes ist es, Kenntnisse und Verständnis für die einzelnen Speisevorschriften vor dem jeweiligen religiösen Hintergrund zu stärken.
Adäquate Schulverpflegung für alle
Die Wissenschaftler wollen mit ihrer Arbeit aktiv dazu beitragen, dass jede Schülerin und jeder Schüler unabhängig von der religiösen Herkunft an der Schulverpflegung teilnehmen kann. Pünktlich zur didacta, der größten Bildungsmesse Deutschlands, werden die Forschungsergebnisse nun in einem Buch veröffentlicht, das in Gemeinschaft von Johanna-Elisabeth Giesenkamp, Elisabeth Leicht-Eckardt und Thomas Nachtwey entstand. Das Buch trägt den Titel „Inklusion durch Schulverpflegung: Wie die Berücksichtigung religiöser und ernährungsspezifischer Aspekte zur sozialen Inklusion im schulischen Alltag beitragen kann“ und beleuchtet christliche, muslimische, jüdische, buddhistische sowie hinduistische Vorschriften in Bezug auf die Ernährung im Alltag und zu besonderen Anlässen.
Publikation soll als Vorlage für Speisepläne dienen
Neben dem wissenschaftlichen Teil sind in dem Fachbuch auch Vorgaben zu Beschaffung, Lagerung, Verarbeitung, Transport und Ausgabe der jeweiligen Lebensmittel und Speisen enthalten. Unter Berücksichtigung des Qualitätsstandards der DGE (Deutschen Gesellschaft für Ernährung) für Schulverpflegung, soll das Buch entsprechend als Vorlage dienen, den unterschiedlichen Religionen gerecht zu werden und einen religionsadäquaten Speiseplan erstellen zu können. „Das Projektteam möchte dazu beitragen, dass zwischen einer unterrichtlichen Behandlung der Themen „Gesunde Ernährung“, „Bewahrung der Schöpfung im religiösen Kontext“ und „Integration/Inklusion“ und einer in der Schule zur Verfügung gestellten Verpflegung künftig keine Diskrepanz mehr besteht“, erklärt Professorin Dr. Elisabeth Leicht-Eckardt.
Aktive Unterstützung aus erster Hand
Die Forscher erhalten aktive Unterstützung von einem Projektbeirat, der Mitglieder aus verschiedenen Fachbereichen bereithält. Unter anderem sind Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., vom Zentrum für Interkulturelle Islamstudien an der Universität Osnabrück, von der Schura in Niedersachsen aufgestellt und werden durch Vertreter anderer Religionen unterstützt. Moderiert wird der Beirat von Professor Dr. Reinhold Mokrosch von der Uni Osnabrück. Ab Mitte 2013 sollen auch praxisorientierte Schulungen stattfinden, deren Termine auf der Seite www.inklusiondurchschulverpflegung.de zu finden sein werden.
Vorsicht vor umgekehrter Diskriminierung
Während die Initiatoren die religionsübergreifenden Speisepläne als gewaltigen Schritt nach vorn betrachten, sehen einige Kritiker indes die Gefahr, dass die heimischen Schulkinder im Zuge der multikulturellen Schulverpflegung in das Hintertreffen geraten könnten. Wie schnell die Frage der Ernährung zu einem interreligiösen Problem werden kann, zeigte schließlich erst kürzlich der sogenannte „Schnitzel-Krieg“, bei dem in einer Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz muslimischen Schülern versehentlich Schweineschnitzel serviert wurden. Der Zwischenfall zog neben großer Aufregung auch weitreichendere Konsequenzen nach sich, beispielsweise nämlich, dass in zahlreichen Frankfurter und Kölner Schulen aus Rücksicht auf den muslimischen Glauben Schweinefleisch komplett verboten wurde. Dies sorgte wiederum für Aufregung unter den Eltern deutscher Kinder, für die das Verbot eine Ernährungseinschränkung bedeutet. Diskriminiert sahen sich zudem hinduistische Familien, da das für den Glauben verbotene Rindfleisch auch weiterhin auf den Tischen landet. Dies sind nur wenige Beispiele, die auf die Schwierigkeit eines multireligiösen Speiseplanes hinweisen. Das aktuelle Buch der Osnabrücker Wissenschaftler soll die Situation nun verbessern, doch bleibt abzuwarten, in welchem Umfang dies gelingen wird. Denn wo die eine Religion effektiv geschützt wird, wird die andere womöglich mit Füßen getreten. Und genau das sollte eigentlich vermieden werden.
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