Nach einem regelrechten Spießroutenlauf atmete die Welt des Süßstoffes auf, dass es endlich ein rein natürliches Produkt in die europäischen Lebensmittel geschafft hat, das Stevia. Doch der ultimative Siegeszug des Süßungsmittels lässt noch auf sich warten und die Industrie scheint trotz vermehrtem Einsatz irgendwie noch nicht uneingeschränkt auf Stevia zu vertrauen. Bei den einen ist der Süßstoff nur als Beigabe zum Zucker enthalten, viele Hersteller verzichteten bislang komplett auf das Wundermittel, das den Kristallzucker und die chemischen Süßstoffe ersetzen sollte. Um ein wenig Licht in das Dunkel zu bringen, hat die Stiftung Warentest nun 16 Stevia-Produkte genauer untersucht und siehe da: Auch beim Stevia ist nicht alles Gold was glänzt.
30 Lebensmittel sind zugelassen
Ende 2011 wurden die Steviolglykoside, die Süßstoffe der Stevia Pflanze, in 30 Lebensmitteln innerhalb der EU zugelassen. Darunter fallen unter anderen Marmelade, Schokolade oder Joghurt, die mit dem praktisch kalorienfreien, zahnschonenden Stevia angereichert werden. Zudem süßt die Pflanze etwa 300-mal stärker als der handelsübliche Kristallzucker. In der Theorie ist das nahezu eine Revolution für gesüßte Produkte, doch wie sieht es in der Praxis aus? Diese Frage stellte sich auch die Stiftung Warentest und prüfte einige Stevia-Produkte. Soviel vorweg, das Süßungsmittel hat nicht schlecht abgeschnitten, bringt aber auch einige Mängel mit sich.
Auf Zucker wird selten ganz verzichtet
An den Fakten von Stevia ist nichts zu rütteln, doch bringt die Verwendung des neuen Süßstoffes noch einige Defizite mit sich. So kommt Stevia bislang kaum ohne Zuckerzusatz zum Einsatz. Lediglich die Süßungstabletten für Kaffee oder Tee, beziehungsweise Steviapulver zum selbst Süßen, kommen komplett ohne anderen Zucker aus, Produkte wie Joghurt oder Marmelade enthalten hingegen nur einen kleinen Teil kalorienarmes Stevia. Laut Stiftung Warentest ist dies ein großer Kritikpunkt, denn die Stevia-Erdbeermarmelade von Schwartau und Zentis nutzt gerade einmal zehn Prozent des Süßungsmittels. Damit enthält das Produkt zwar tatsächlich weniger Kalorien als wäre es nur mit Zucker gesüßt, doch von einem insgesamt kalorienarmen Lebensmittel lässt sich deswegen noch nicht sprechen. Immerhin können mit Stevia Produkten durchschnittlich ein Viertel bis zu einer Hälfte Kalorien gespart werden. Spitzenreiter hierbei ist die Fritz-Kola, die 50% des Zuckers durch Stevia ersetzt. Aber warum setzen die Hersteller nicht voll und ganz auf das Süßungsmittel?
Der Geschmack lässt zu wünschen übrig
Die getesteten Produkte schmeckten schon mit einem vergleichsweise geringen Anteil Stevia teilweise bitter und hinterließen einen unangenehmen Belag auf der Zunge. Zudem seien die Produkte trotz der hohen Süßkraft weniger süß ausgefallen, was sich insgesamt schlecht auf den Geschmack auswirkte. Käme ausschließlich Stevia zum Einsatz würden sich die negativen Aspekte deutlich verstärken. Entsprechend geht man derzeit davon aus, dass Stevia den Zucker in Lebensmitteln grundsätzlich nicht ersetzen wird. Doch auch mit dem Geschmack ist die Kritik noch nicht zu Ende.
Stevia nicht so natürlich wie es scheint
Viele Hersteller bewerben ihre Stevia-Produkte mit Sprüchen wie „natürliche Süße“ oder „rein pflanzlich gesüßt“. Zwar stammt der Süßstoff auch aus einer Pflanze, doch werden die verwendeten Steviolglykoside durch ein aufwändiges chemisches Verfahren aus den Blättern der Pflanze gewonnen. Zwar gilt auch das Endprodukt als gesundheitlich unbedenklich, doch sähe nach Meinung der Experten ein wirklich „natürlicher“ Genuss wohl anders aus. Entsprechend erhielt Stevia als E960 auch die Kennzeichnung für chemische Zusatzstoffe. Wer damit leben kann, der kann mit den Produkten tatsächlich einige Kalorien einsparen, aber ein Freischein für das Schlemmen ist der Einsatz des Stevias garantiert nicht. Noch nicht, jedenfalls, vielleicht wird sich dies in Zukunft ja noch ändern.
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