Kein Wunder: Kleinere Narben, weniger Schmerzen und schnellere Heilung – das klingt verlockend.
Die neue Technik stellt die Chirurgen allerdings vor eine echte Herausforderung und nicht nur das: Nicht immer ist der vermeintlich „sanfte“ minimal-invasive Eingriff die beste Wahl, so die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV).
Gesteigerte Operationsfreude durchs Schlüsselloch
Als die Schlüsselloch-Chirurgie Anfang der 1990er-Jahre eingeführt wurde, schien sie zunächst ein reiner Segen für die Patienten zu sein, da die Nebenwirkungen im Vergleich zur offenen Operationsmethode wesentlich geringer zu sein schienen.
Eine Kehrseite der Medaille ist allerdings die, dass die Schlüsselloch-Chirurgie gerne verharmlost wird – denn trotz allem ist und bleibt es ein chirurgischer Eingriff, der unter Vollnarkose durchgeführt wird.
Eine im Auftrag der Bundesregierung durchgeführte Studie vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung kam zu dem Ergebnis, dass mehr Operationen durchgeführt wurden, als zuvor. Im Fall der Gallenblase stieg die OP-Rate mit Einführung der Schlüsselloch-Chirurgie sogar um 60 Prozent. Die Frage, warum das so ist – und ob diese Operationen notwendig sind, ist da durchaus angebracht.
Warum der kleine Eingriff gar nicht so klein ist
Aufgrund der komplizierten Technik führt die Schlüsselloch-Chirurgie (Laparaskopie) nicht nur zu einer längeren Narkosezeit, sie fordert den Chirurgen auch einiges ab. Durch winzige Schnitte werden Sonden und Instrumente in den Körper eingeführt, operiert wird lediglich mit Blick auf den Monitor.
Mit dem, was bei herkömmlichen OPs gefordert ist, hat die Koordination der langen, stabförmigen OP-Geräte nicht mehr viel zu tun. Der Tastsinn liegt brach, das Blickfeld ist durch die Schlüssellochkameraperspektive beschränkt – und das birgt Tücken: Zum einen kann leicht etwas übersehen werden, zum anderen können andere Organe verletzt werden, was ein erhöhtes Blutungsrisiko nach sich zieht. Treten Komplikationen auf, ist der Chirurg gezwungen, doch noch auf den offen-chirurgischen Eingriff auszuweichen.
Wann ist der „kleine Schnitt“ die bessere Option?
Was den Bauchraum betreffenden Operationen angeht, rät die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) zum offenen Operationsverfahren bei Magen- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die minimal-invasive Methode ist bei Blinddarm- und Gallenblasen-OPs angezeigt.
Auch bei stark übergewichtigen Patienten ist die Schlüsselloch-Methode sinnvoll, weil kleinere Narben ein geringeres Wundinfektionsrisiko nach sich ziehen. Generell ist die Entscheidung pro oder contra Schlüsselloch eine höchst individuelle, für die es keine festen Regeln gibt.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Entscheidend für das Gelingen der Operation ist natürlich auch das Können des Operateurs. Fatalerweise darf hier in Deutschland jeder Arzt die Operationen durchführen, von denen er glaubt, dass er sie beherrscht.
Der Patient sollte sich daher unbedingt nach der Erfahrung des Chirurgen erkundigen und fragen, wie oft sich der Operateur bislang an ebendiesem Eingriff versucht hat.
Nicht minder interessant die Frage, ob und wie häufig der Chirurg während einer Operation vom minimal-invasiven Verfahren auf das offene umschwenkt. Wechselt er zu häufig, spricht das nicht dafür, dass er die Technik beherrscht. Wechselt er zu selten, sind Zweifel angebracht, ob er die Operationsmethode an sich über die Heilungsaussichten stellt.
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