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Alkohol als Lebensretter:

Betrunkene Unfallopfer haben eine höhere Überlebenschance

Je betrunkener ein Verletzter ist, desto eher überlebt er den Unfall. Forscher aus den USA fanden diesen kuriosen Zusammenhang.

Verletzter wird von Sanitätern in einem Notarztwagen medizinisch versorgt

Alkohol kann Leben retten – Alkoholisiertes Unfallopfer wird medizinisch versorgt Bild: © fotolia.de

Der Volksmund wusste es immer schon: Betrunkene und Kinder schützt der liebe Gott. Ob man an dessen Existenz glaubt oder nicht – irgendwer oder irgendwas sorgt dafür, dass das bei Betrunkenen tatsächlich stimmt. Der US-amerikanische Wissenschaftler Lee Friedman von der University of Illinois in Chicago hat sogar Beweise. Nach eingehender Beschäftigung mit diesem Thema, kommt er zu einem eindeutigen Schluss: „The more alcohol you have in your system, the more the protective effect“. Heißt: Alkohol schützt verletzte Menschen vor dem Tod und dieser Effekt wird größer, je mehr von der Droge sich im Körper befindet. Die Ergebnisse seiner Studie sind im November 2012 online bekannt geworden, sie erscheinen in der Dezemberausgabe der Zeitschrift Alcohol.

Wenn schon verletzt im Krankenhaus, dann besser betrunken

Grundlage der Studie sind die Patientendaten aus den Notaufnahmen des Staates Illinois. Zwischen 1995 und 2009 wurden bei 190.612 Verletzten Blutalkoholkontrollen durchgeführt – die Patienten erreichten Werte zwischen null und fünf Promille zum Zeitpunkt der Aufnahme im Krankenhaus. An ihren Verletzungen starben 6.733 Unfallopfer noch im Krankenhaus. Bei genauerer Betrachtung fällt ein Zusammenhang zwischen der Blutalkoholkonzentration und den Todesfällen auf, auch wenn dieser zunächst überrascht: Haben Verletzte Alkohol im Blut, sterben sie weniger häufig, zumindest wenn es sich um Frakturen, innere Verletzungen oder offene Wunden handelt. Bei Brandverletzten gibt es diese Beziehung nicht.

Und als wäre das noch nicht genug, ist auch eine deutliche Abhängigkeit von der Dosis zu sehen. Die Sterblichkeit sank mit Zunahme der Blutalkoholkonzentration – bei den Patienten mit den höchsten Werten um fast 50 Prozent. Selbst wenn man die Verletzungsschwere und andere Faktoren berücksichtigt, die normalerweise die Sterblichkeit mitbestimmen – der schützende Effekt des Alkohols bleibt bestehen. Mit anderen Worten: Je betrunkener Verletzte sind, umso eher überleben sie.

Warum hilft Alkohol bei Verletzungen

Es gibt noch weitere Tier- und Menschenstudien, die sich der Wechselwirkung zwischen Alkohol und Verletzungen gewidmet haben. Allerdings sind die Ergebnisse nicht vergleichbar. Die Herangehensweisen unterscheiden sich zu sehr, die Ergebnisse sind mitunter widersprüchlich. Nach den Ergebnissen der Forschung von Lee Friedman steht nun allerdings fest: Die Überlebenschancen verletzter Menschen steigen mit der Menge des Alkohols im Blut. Ein Rätsel bleibt aber, warum das so ist. Die Wirkweise dieses Phänomens ist bislang unentdeckt.

Nun könnte man sich natürlich fragen, warum diesem Thema so viel Aufmerksamkeit zuteil wird, denn es ist ja wohl kaum ein probates Mittel, sich zu betrinken, um schwere Verletzungen zu überleben. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ohne Alkohol viele dieser Unfälle gar nicht geschehen werden. So macht auch Friedman klar, dass seine Forschungen niemanden ermutigen sollen, Alkohol zu sich zu nehmen. Er ist dem Phänomen aber trotzdem auf der Spur – weil er es verstehen will. Aus einem ganz einfachen Grund: Wenn man den Mechanismus hinter der Schutzwirkung versteht, könnte man daraus Medikamente entwickeln. Diese würde man verletzten Menschen in Zukunft noch am Unfallort oder später im Krankenhaus geben – sie würden dem Körper eine Alkoholvergiftung vorgaukeln und die Patienten überleben.

Quelle:

Alcohol has ‘protective effect’ for injured patients, study finds

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Über Manuela Käselau

Manuela Käselau ist Physiotherapeutin und Shiatsu-Praktikerin (GSD). Parallel studierte sie Phonetik, Niederdeutsche Linguistik und Systematische Musikwissenschaft an der Universität in Hamburg. Als freie Autorin schreibt sie für diverse Online- und Printmedien, hauptsächlich im medizinischen Bereich. Seit 2012 ist sie ein Mitglied der Redaktion.