Das mit der Angst ist so eine Sache – kaum jemand möchte sie haben, tatsächlich kennen die meisten sie aber. Dass Menschen Angst haben ist auch vernünftig, denn dieses Gefühl hat eine gute Funktion – sie bewahrt Menschen vor Handlungen, die gefährlich sein könnten. Der Volksmund kennt einige Möglichkeiten, mit Angst umzugehen: „Augen zu und durch!“ etwa, aber auch „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ Bestimmt kennt jeder jemanden, der einen Teufel tun würde, zuzugeben, dass er oder sie Angst hat, sei es vor dem Zahnarzt oder einer Prüfung. Und jeder hat auch in seinem Umfeld jemanden, der ausschweifend und in fast romanhaften Formulierungen davon erzählt, wie sich das anfühlt – diese Angst vor Höhe zum Beispiel oder dem Flug mit einem Flugzeug. Aber was ist nun richtig beziehungsweise hilfreich bei Angst?
Den Ängsten im Alltag begegnen
Normale Alltagsängste sind oft schon damit zu bewältigen, dass der Betroffene sich klarmacht, dass es eigentlich keinen stichhaltigen Grund gibt, Angst zu haben. Wer sich dabei noch gut zuredet oder von einer geduldigen Person begleitet wird, kann eben doch mit einem gläsernen Fahrstuhl fahren, vom Zehnmeterbrett springen oder die Person ansprechen, auf die man schon länger ein Auge geworfen hat. Wenn es über Alltagsängste hinausgeht und Psychotherapeuten mit ins Spiel kommen, läuft es eigentlich nicht anders. Die meisten psychotherapeutischen Richtungen arbeiten damit, dem Ängstler zu verdeutlichen, dass die zur Diskussion stehenden Ängste eine Fehleinschätzung der Realität sind. In der Regel führt eher das falsche Denken zur Angst und nicht die Situation an sich. Bei einer therapeutisch begleiteten Konfrontation mit dem Angstauslöser geht es also eher darum, zu erleben, dass all die schlimmen Dinge nicht passieren, die man sich im stillen Kämmerlein ausgemalt hat. In der Hoffnung, dass diese Lernerfahrung die alten Überzeugungen irgendwann überdeckt. Das kann klappen, muss aber nicht.
Den Ängsten therapeutisch begegnen
Neuere therapeutische Richtungen nutzen noch weitere Möglichkeiten und das auch ganz erfolgreich. Die Psychotherapie hat hierfür Teile aus achtsamkeitsbasierten Meditationen übernommen. Über Marsha Linehan und die von ihr entwickelte dialektisch-behaviorale Therapie sind diese im Konzept der Radikalen Akzeptanz bekannt geworden. Diese Technik geht davon aus, dass man Probleme nur dann lösen kann, wenn man sie auch annimmt; es geht aber nicht darum, das Angenommene zu bewerten. Der aus dem Volksmund bekannte Spruch „Es ist, wie es ist“, beschreibt dieses Konzept am ehesten. Sie haben eine Kündigung erhalten, ihr Auto ist kaputt, der Rücken tut weh? Radikal akzeptierend hieße, Kündigung, Auto und Rücken anzunehmen und nicht im Kopf zu haben: Warum gerade ich?, Ich will das nicht!, Die Welt ist ungerecht! Sie können alle drei Situationen unglaublich blöd finden, aber ohne vorherige Radikale Akzeptanz ist es schlecht möglich, Lösungen finden zu können, weil man seine Kraft auf Nebenbaustellen verschleudert.
Über die Angst reden – hilft das oder nicht?
Eine Studie um Katharina Kircanski von der Universität von Kalifornien in Los Angeles aus dem Sommer 2012 steuert noch einen zusätzlichen Aspekt zum Umgang mit der Angst bei. Die Forscher fragten sich, ob das Reden über die eigene Angst diese lindern kann. Dazu wurden 88 Personen mit ausgeprägter Arachnophobie (Angst vor Spinnen) aufgefordert, sich einer Vogelspinne in einem Käfig zu nähern und sie zu berühren. Anschließend sahen sich alle Probanden auf einem Monitor Bilder weiterer Spinnen an. Zuvor wurden die Spinnenängstler aber in vier Gruppen eingeteilt: Die erste Gruppe sollte ihre Angst beim Sehen der Bilder äußern, die zweite neutrale Worte für das Tier finden, die dritte an Möbelstücke in der eigenen Wohnung denken und die vierte Gruppe sollte nur schauen.
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Die Teilnehmer beschrieben anschließend wiederum ihre Angst vor Spinnen und näherten sich der realen Spinne im Käfig ein zweites Mal. Jeder Proband durfte hierbei selbst entscheiden, wie dicht er dem Tier kam. Gruppe eins schnitt am besten ab – die Teilnehmer, die vorher laut ihre Ängste ausgesprochen hatten, empfanden jetzt weniger Angst und kamen dem realen Tier auch näher als alle anderen. Gruppe drei hatte am wenigsten profitiert – das Ablenken durch das Denken an Möbelstücke bringt offenbar kein Stück weiter.
Geteiltes Leid ist halbes Leid
Therapeutisch ist diese Untersuchung wertvoll, weil sie zeigt, dass auch das Reden über die Angst diese schon mindern kann. Der Volksmund liegt also mit „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ schon ganz richtig. Ablenkungsmanöver wie „Augen zu und durch!“ sind dagegen wenig hilfreich. Zur effektiven Angstbewältigung gehört also neben der Aufklärung über eine verzerrte Realitätseinschätzung sowohl das Anerkennen der eigenen Angst im Sinne der Radikalen Akzeptanz, als auch das Aussprechen dieser. Anschließend folgt noch eine angepasste Konfrontation mit dem, was immer schon Angst machte und das Leben wird wieder einfacher. Sogar dann, wenn Spinnen in der Nähe sind – die übrigens meist niemandem etwas tun, zumindest in unseren Breiten.
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