Sie heißen nicht einfach Uhren – es sind Zeitmesser, besser und vornehmer: Chronometer. Die Schweizer sind seit eh und je stolz auf diese Präzisionsinstrumente, die fleißige Hände in der Eidgenossenschaft herstellen. Mit großem Erfolg. Weil sie in aller Welt großen Absatz finden. Im Jahr 2011, so die offiziellen Zahlen des Verbandes der Schweizerischen Uhrenindustrie FH, wurden 29,8 Millionen Uhren in einem Wert von 18,1 Milliarden Franken exportiert. Damit lag der Erlös um 3,1 Milliarden Franken über dem von 2010. Was da so reißenden Absatz findet, fällt natürlich nicht selten auch dem Plagiat anheim. Und daraus resultiert nunmehr ein Streit zwischen den Schweizerischen Bundesbahnen und der Firma Apple. Denn die hat in ihrem neuen Betriebssystem iOS6 für iPhone und iPad eine „Uhren“-Anwendung installiert; es ist das Abbild der traditionellen Schweizer Bahnhofsuhr. Und die ist rechtlich geschützt. Nun soll mit Apple „eine rechtliche und finanzielle Lösung angestrebt werden“.
Die Sprunguhr mit „schleichender Sekunde“
Das Apple-Abbild ist natürlich kleiner als das Original in Zürich, Bern oder Lugano. Aber: Schwarze Zeiger für die Stunden und Minuten, ein roter in Form einer stilisierten Stationsvorsteher-Kelle für die Sekunden, schwarze Striche auf weißem Grund für jede Minute anstatt der sonst üblichen Ziffern – so ist das Abbild wie auch das Original. Die Schweizer Bahnhofsuhr war im Jahr 1944 von dem Schweizer Ingenieur und Gestalter Hans Hilfiker für die SBB entworfen worden. In ihrem klaren und reduzierten Design wurde sie international zum Vorbild von Bahnhofsuhren. Wobei der rote Sekundenzeiger eine Besonderheit aufweist, die von der Firma Apple mit größter Wahrscheinlichkeit nicht nachvollzogen worden ist. Die IT-Designer haben es wohl auch gar nicht gewusst. Technisch nämlich handelt es sich um eine so genannte Minutensprunguhr mit „schleichender Sekunde“. Das heißt, der Sekundenzeiger läuft etwas zu schnell, so dass er bei jeder vollen Minute stehen bleibt, um auf das Minutensignal zu warten. Dazu wird der Erfinder Hilfiker mit den Worten zitiert: „Dieser Zeiger bringt Ruhe in die letzte Minute und erleichtert die pünktliche Zugabfertigung“.
Das Motiv der Schweizer Bahnhofsuhr ist insgesamt zum Designklassiker geworden. Demzufolge wurde sie auch auf einer 85-Rappen-Briefmarke der Briefmarkenserie „Designklassiker der Schweiz“ abgebildet.
Früher bastelten die Bauern im Winter
Uhren, Zeitmesser, Chronometer aus der Schweiz. Die Herstellung hat eine lange Tradition. Früher wurden die Uhren vor allem im Winter hergestellt, wenn die Bauern Zeit hatten für eine Nebenbeschäftigung. Das ist heute natürlich anders. Aber auch heute noch werden viele Luxusuhren in ländlichen Gebieten produziert, so im Valleé de Joux im Waadtländischen Jura. Insgesamt allerdings konzentriert sich die Uhrenindustrie inzwischen auf Städte im Jurabogen wie La Chaux-de-Fonds und Le Locle (Kanton Neuenburg) oder Biel (Kanton Bern) und Grenchen (Kanton Solothurn) Der Anteil an der Weltproduktion liegt wertmäßig bei 50 Prozent. Das will erarbeitet sein. Eine Luxusuhr beispielsweise besteht aus über 300 Teilchen. Da muss viel getüftelt werden, um in kleinste Gehäuse komplizierteste Mechanismen einzubauen. Den Hang zur Präzision hat man den Schweizern ja auch schon immer nachgesagt. Da ist die Schweizer Bahnhofsuhr insgesamt etwas grobschlächtiger. Aber auch sie hat ihren Pfiff, wie nicht zuletzt das Interesse von Apple gezeigt hat.
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