Startseite / Gesundheit / Zum Zahnarzt nach Krakau – kein Problem

Ärzte-Tourismus:

Zum Zahnarzt nach Krakau – kein Problem

Arztbehandlung in der EU? Grenzüberschreitende Mobilität auch im Gesundheitswesen. Die Ärzteschaft in der Bundesrepublik kann davon profitieren.

Medizintourismus - Zahnbehandlung in PolenDen Anfang machten die Gesundheitsminister der 27 EU-Länder vor zwei Jahren. Sie waren sich einig, dass grenzüberschreitende Mobilität innerhalb der Europäischen Union auch im Bereich des Gesundheitswesens befördert werden müsse. Sie beschlossen somit, dass Bürger der Europäischen Union in Zukunft weitgehend selbst bestimmen sollen und können, in welchem der 27 EU-Länder sie sich ambulant oder auch stationär behandeln lassen wollen. Sei es, in Polen den preiswerteren Zahnarzt zu konsultieren, als Rentner auf Mallorca ärztliche Betreuung zu suchen, oder, andersherum, sich als Norditaliener dem tüchtigen Münchner Chirurgen „auszuliefern“. Der Vorstoß ist inzwischen vom EU-Parlament abgesegnet und zum größten Teil auch  schon in das nationale Recht der Mitgliedsländer, die Bundesrepublik eingeschlossen, übertragen worden.

Gleiche Kostenerstattung wie im Heimatland

Das Gesetz fördert Flexibilität und Mobilität und soll zugleich – was bitter notwendig erscheint – die Rechtssicherheit der Patienten in der Europäischen Union deutlich stärken. Demnach werden Krankenkassen verpflichtet, ambulante Behandlungen in anderen Staaten der Union in gleicher Weise zu erstatten wie im Heimatland. Für Behandlungen im Krankenhaus, für Operationen beispielsweise, sollen die einzelnen EU-Staaten allerdings so genannte Vorabgenehmigungen durch den Versicherungsträger vorschreiben. Die Krankenkassen können in solchen Fällen die Zustimmung verweigern, wenn im Heimatland eine Behandlung „innerhalb angemessener Zeit“ möglich ist. Also: Krankenhausbehandlungen im Ausland muss die Kasse im Voraus genehmigen.

Deutsche Ärzte rechnen mit mehr Zulauf

Insgesamt gilt künftig: Wer in einem anderen EU-Land zum Arzt geht, muss die Kosten dafür zunächst selbst tragen. Sie werden aber anschließend in der Höhe erstattet, die auch bei einer Behandlung im eigenen Land anfiele. Die Initiatoren des neuen Gesetzes gehen davon aus, dass vor allem die Menschen in den grenznahen Regionen die neuen Möglichkeiten gerne nutzen werden. Nach Angaben der EU-Statistikbehörde lässt sich derzeit nur ein Prozent aller Patienten unter den Bürgern der Europäischen Union im Ausland behandeln. Die Zahl könnte mit der neuen Richtlinie beträchtlich steigen. Angesichts des im Vergleich hohen Standards des deutschen Gesundheitswesens innerhalb der EU rechnen Gesundheitsexperten mit deutlichen zusätzlichen Einnahmen für deutsche Ärzte und Krankenhäuser. Kommentar der Europaabgeordneten Dagmar Roth-Behrendt nach den Entscheidungen: „Der Ministerrat ist endlich aus dem Koma erwacht“.

Eine zügige Entscheidung war vonnöten

Das Europaparlament hatte in dieser gesundheitspolitischen Grundsatzfrage Mitentscheidungsrecht. Rat und Parlament mussten sich also auf einen Kompromiss einigen.  Rasche – positive – Entscheidungen auch im Interesse der Rechtssicherheit waren nicht zuletzt deshalb vonnöten, weil bislang der Europäische Gerichtshof (EuGH) mehrfach über Fälle hatte entscheiden müssen, in denen sich Patienten im Ausland hatten behandeln lassen. Die Kosten sollte die Krankenkasse erstatten – und sie weigerte sich. Zwar hatte der EuGH immer wieder zu Gunsten der Versicherten entschieden. Aber es waren stets nur Einzelurteile ohne allgemeinen Gültigkeitswert gewesen.

© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten

Über Klaus J. Schwehn

Nach 25 Jahren spannender Tätigkeit als Parlamentskorrespondent in Bonn (Badische Zeitung, Die Welt, Berliner Tagesspiegel) lebe ich heute in Oberitalien. Meine Arbeitsschwerpunkte sind Politik und Gesellschaft in Italien und Deutschland; aber auch Fragen der Europäischen Union.