Schwarze Lederklamotten an, „Highway to hell“ auf den Lippen und dann durch die Landschaft schüsseln – dieses Szenario hört sich für viele nach Paradies an. Menschen, die derart leidenschaftlich mit ihrem Motorrad verbunden sind, müssen ab jetzt auch auf ihrer allerletzten Fahrt nicht auf das geliebte Zweirad verzichten. Warum auch? Die letzten Meter über der Erde, um unter die Erde zu kommen, müssen ja nicht immer mit einem schnöden Bestattungsauto erledigt werden. Es geht auch mit einem Bestattungsmotorrad und das deutschlandweit.
Jörg Grossmann sieht auf den ersten Blick nicht wie ein Schwiegermutterschreck aus. All die Vorurteile, die sich hartnäckig über Motorradfahrer halten, bedient er nicht. Ganz im Gegenteil. Er möchte einfach nur einen würdevollen letzten irdischen Weg anbieten – für jene, die zu Lebzeiten gerne Motorrad fuhren. Nicht mehr und nicht weniger.
Auf die Idee für sein Unternehmen kam er in den USA, als er der Beerdigung eines Bikers beiwohnte. Er fand das toll und meinte, dass es das auch in Deutschland geben müsste. Viele Planungen und eine Menge Geld später nannte er den Umbau eines straßentauglichen Motorrades mit Beiwagen sein Eigen. Im von außen gut einsehbaren Beiwagen können damit Särge transportiert werden, Urnen selbstverständlich auch. Natürlich wird der Wagen auch geschmückt und hergerichtet. Eigentlich ist (fast) alles so, wie man es auch von Bestattungsautos kennt.
Motorrad und Tod sind ein enges Gespann
Dass Motorradfahren und Tod eng miteinander zusammenhängen ist eine zu bedauernde Tatsache. Fahrer von Zweirädern sind bei Unfällen immer mehr gefährdet als Insassen von Autos und das ganz unabhängig davon, wer den Unfall verursacht hat. In Deutschland verunglückten in den letzten Jahren zwischen 26.000 und 34.000 Motorradfahrer in zwölf Monaten, rund 630 bis 800 starben hierbei. Glücklicherweise nehmen die Zahlen mit jedem Jahr ab.
Aber Jörg Grossmann hat primär nicht diese Fahrer im Kopf. Als er seine Firma im hessischen Usingen aufbaute, ging es ihm um alle Motorradfans. Denn viele Menschen fahren Motorrad, ohne zu verunglücken und sind ihrem Gefährt ein Leben lang verbunden. Und nun kann diese Liebe über den Tod hinaus gepflegt werden. Denn mittlerweile ist auch bekannt: Je passender eine Beerdigung ausgerichtet werden kann, um so besser können die Hinterbliebenen mit dem Verlust leben. Individuelle Lösungen sind hier also keine Spielwiese für überspannte PS-Jünger, sondern auch Lebenshilfe.
Das sehen Kritiker naturgemäß anders. Nicht jedem gefällt der verglaste Seitenwagen, er sei nicht traditionell genug und dem Anlass nicht angemessen. Nun ja, das kann man so und so sehen.
Bestattungen mit dem Motorrad in ganz Deutschland möglich
Im Februar 2012 fuhr das Bestattungsmotorrad seine Jungfernfahrt in Düsseldorf, längst gibt es Kooperationen mit Bestattern in vielen deutschen Großstädten. Prinzipiell kann man sich aber in ganz Deutschland für ein Motorrad für den letzten Weg entscheiden. Das örtliche Bestattungsunternehmen übernimmt dabei alle nötigen Schritte, für die Überführung des Verstorbenen wird dann das Motorrad zusätzlich gebucht. Dieses wird dazu mittels Auto und Spezialanhänger vom Taunus zum Sterbeort gebracht. Das erklärt auch die höheren Kosten: Die letzte Fahrt mit dem Zweirad kostet rund 1200 Euro, ein Auto gibt es schon ab 200 Euro. Dafür ist aber nach Absprache auch ein Umweg drin. Und wer wird nicht zugeben, dass eine Fahrt über die Köhlbrandbrücke, entlang des Rheins oder auf der Straße Unter den Linden mit dem Motorrad ein unvergleichliches Erlebnis ist? Auch wenn es die letzte Fahrt ist.
Fotos: © picture alliance / dpa
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