Schmerzen: Jeder kennt sie und niemand will sie haben. Schmerzen sind so vielfältig wie ihre Ursachen. Und manchmal bleibt die Ursache für den Schmerz sogar völlig ungeklärt. Eine natürliche Substanz einer Schneckenart könnte in Zukunft vielen Schmerzpatienten helfen.
Die marine Kegelschnecke produziert ein Nervengift, ein sogenanntes Conotoxin, das zukünftig den Schmerz hemmen soll. Einzelne Bestandteile des Giftes können in kleinsten Dosierungen die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen blockieren. Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Jena, der TU Darmstadt sowie des Leibniz-Instituts für Altersforschung in Jena konnten nun die Struktur und Wirkung des Kegelschneckentoxins µ-PIIIA ermitteln.
Die Beute wird vergiftet
Die Kegelschnecke kommt in etwa 500 verschiedenen Arten in allen Meeren der Welt vor. Normalerweise sitzt sie im Schlamm verborgen und wartet auf Beute. Nur ihre wurmähnliche Atemröhre ragt aus dem Schlamm hervor und lockt mit ihren Bewegungen Fische an. Doch bevor der Fisch sein vermeintliches Futter näher untersuchen kann, feuert die Kegelschnecke blitzschnell eine Giftharpune auf ihr Opfer ab. Das lähmt den Fisch und die Schnecke kann die Beute leicht fressen. Der Verdauungsprozess dauert allerdings zwei ganze Wochen. Doch so viel Zeit benötigt die Schnecke auch, um ihre Waffe, die Giftharpune, wieder aufzutanken. Dieses überaus praktische Jagdgerät hat sich aus einem Zahn auf ihrer raspelartigen Zunge entwickelt.
Besonders interessant für das Forscherteam ist, dass die Nervengifte der Schnecken in kleinsten Mengen wirken und die Reizweiterleitung sehr gezielt unterbrechen. Damit lassen sich Schmerzsignale gut blockieren. Die Toxine könnten dadurch gerade für Krebspatienten im Endstadium ihrer Erkrankung oder für chronische Schmerzpatienten, bei denen alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, ein Hoffnungsschimmer sein. Denn Vorteil dieser natürlichen Giftstoffe ist, dass sie nicht abhängig machen. Doch die Wissenschaftler haben noch ein Problem mit der Stabilität des Wirkstoffs. Das von den Forschern untersuchte Peptid, ein Spaltprodukt beim Eiweißabbau, wird vom menschlichen Organismus schnell abgebaut. Um eine längere Wirksamkeit zu erreichen, sind stabilere Formen der Substanz nötig.
Chemische Herstellung im Labor
Die Wissenschaftlerinnen Dr. Alesia A. Tietze und Prof. Dr. Diana Imhof (auf dem Foto von links nach rechts) der Universität Bonn interessieren sich für ein ganz bestimmtes Gift für weitere Untersuchungen, das Conotoxin µ-PIIIA. Die Schnecken produzieren nur kleinste Mengen dieses Toxins. Für die Wirkstoffuntersuchung gelang es den Forschern jedoch, mehr von dieser Substanz chemisch im Labor herzustellen. So konnten sie die Struktur verschiedener Varianten sowie ihre unterschiedlichen Wirkweisen untersuchen. Das Gift besteht aus einer Verkettung verschiedener Aminosäuren, die sich unterschiedlich zusammenknäueln. Und diese verschiedenartigen Knäuel haben unterschiedliche biologische Wirkungen. Doch noch müssen die Grundlagen erforscht werden. Von einem anwendbaren Schmerzmittel sind die Wissenschaftler noch Jahre entfernt.
Doch schon 2006 untersuchten Forscher an der University of Utah in Salt Lake City das Gift der Kegelschnecken, um chronische Nervenschmerzen zu behandeln. Sie erprobten das Gift in geringer Konzentration an Ratten und konnten bei den Tieren die Schmerzen lindern oder sogar ganz ausschalten. Nebenwirkungen traten dabei nicht auf. Chronische Nervenschmerzen, weit verbreitet und stark belastend für die Betroffenen, sind bislang schwierig zu behandeln. Ursachen sind unter anderem Verletzungen, Tumorerkrankungen oder auch Diabetes mellitus. Ob die Schneckengifte eines Tages tatsächlich als Schmerzmittel praktikabel sind, auch in Kombination mit anderen Arzneimitteln, muss sich in weiteren Studien zeigen.
Weiterführende Links zum Thema:
Strukturell diverse Isomere des μ-Conotoxins PIIIA blockieren den Natriumkanal NaV1.4†
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ange.201107011/abstract
Das Gift der Kegelschnecke – tödlich und heilsam
http://www.biotechnologie.de/BIO/Navigation/DE/Aktuelles/wissenschaft,did=150778.html?listBlId=74622&#
Foto: © Volker Lannert/Universität Bonn
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