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Studie:

Eine typische kriminelle Karriere gibt es nicht

Niemand wird als krimineller Mensch geboren. Aber gibt es die typische kriminelle Karriere? Forscher des Max-Planck-Instituts sind dieser Frage nachgegangen.

Es gibt keine kriminelle Karriere als Verbrecher.

Eine typische kriminelle Karriere als Verbrecher gibt es nicht, das belegt die Studie. Bild: © fotolia.de

Gibt es einen beispielhaften Einstieg in die Kriminalität? So etwas wie eine Karriere, wie sie von vielen Experten angenommen wird? Glaubt man dem Ergebnis der Studie des Kriminologen Volker Grundies vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, so gibt es keine typische kriminelle Karriere. Damit stellt das Ergebnis der Studie alle gängigen kriminologischen Theorien  in Frage, die von einer typischen und langfristigen Entwicklung innerhalb krimineller Bahnen ausgehen.

Die Studie im Überblick

Für die Studie wurden die Daten von rund 21.000 straffälligen Baden-Württembergern verwertet, die in den letzten Jahren einmal oder mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Grundies und seine Kollegen beschränkten ihre Analyse auf die Daten von Straftätern in einem Alter zwischen 14 und 32 Jahren. Der Analyse lag ein statistisches Verfahren der beiden Kriminologen Daniel Nagin und K.C. Land zugrunde. Dieses Verfahren besagt, dass es nur wenige typische Verläufe einer kriminellen Karriere gibt und jeder Straftäter darin eingeordnet werden könne. Tatsächlich fanden die Freiburger Forscher in ihrer Studie auch mehrere solcher typischen Verläufe, doch konnten diese keiner kritischen Prüfung standhalten.

Keine langfristige kriminelle Karriere erkennbar

Aus den Daten kristallisierten sich 87 Prozent Kriminelle heraus, die nur wenige Eintragungen im Strafregister vorzuweisen hatten und bei denen man entsprechend nicht von einer kriminellen Karriere sprechen kann. 11 Prozent der untersuchten Personen gerieten häufiger mit dem Gesetz in Konflikt, wobei die Straftaten jedoch auf einen bestimmten Altersabschnitt begrenzt waren. Lediglich 2 Prozent der Straftäter konnten tatsächlich als chronisch Kriminelle identifiziert werden, die über den gesamten Altersbereich von 14 bis 32 Jahren regelmäßig Einträge in das Strafregister erhielten. „Daraus lässt sich schließen, dass die meisten kriminellen Karrieren nur mittelfristig andauern“, kommentiert Grundies das Ergebnis.

Extreme Vielfalt an einzelnen Verläufen

„Unterm Strich ließen sich die erfassten kriminellen Karrieren zwar bezüglich Einstiegsalter, Häufigkeit der Registrierungen und Dauer unterscheiden, zeichneten sich dabei jedoch zugleich durch ihre große, aber gleichmäßig verteilte Vielfalt an einzelnen Verläufen aus“, berichtet Grundies weiter. Und aus dieser Vielfalt ließen sich keine typischen Verläufe ableiten. Vielmehr gab es teilweise Überlappungen der einzelnen Verläufe, die laut Grundies „eine Kategorisierung aus kriminologischer Perspektive sinnlos und willkürlich“ machen.

Ergebnis ist überraschend, aber spannend

Der Freiburger Kriminologe war durchaus selbst überrascht von dem Ergebnis der Studie. „Ich war erst einmal schön frustriert, habe mich dann aber gefragt, woran das liegen kann, und fand das Ergebnis plötzlich sehr spannend“, meint Grundies. Denn im Grunde stützt das Resultat die eigene Theorie des Forschers. Er geht davon aus, dass die Ursachen einer kriminellen Karriere in einem Ungleichgewicht zwischen Individuum und Gesellschaft zu finden sind und eben nicht in einfachen Mustern. Denn genau diese eindeutigen Muster haben im Ergebnis der Studie gefehlt, was darauf hindeutet, dass die Balance zwischen Gesellschaft und Individuum in jedem Alter gestört werden kann. Zwar treten im jugendlichen Alter kriminelle Einstiege und Karrieren durchaus häufiger auf, doch weisen auch diese keine eindeutigen Gemeinsamkeiten auf.

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Über Stephan Lenz

Stephan Lenz studierte Philosophie, Soziologie und Anglistik an der Universität Mannheim. Es folgten schriftstellerische Fortbildungen und die freiberufliche Arbeit als Autor und Journalist. Neben unzähligen Artikeln in diversen Magazinen, veröffentlichte er Prosa im Charon Verlag, Hamburg, sowie im Wortkuss-Verlag, München. Er gehört seit vielen Jahren zum festen Stamm der Redaktion des Artikelmagazins.