Mit diesen und anderen Aussagen in seinen neuem Bestseller-Buch „The End of Illness“ sorgt der amerikanische Onkologe David Agus für heftige Diskussionen unter Wissenschaftlern. Als Bill Weir, Moderator der amerikanischen Fernsehsendung „ABC Nightline“ vor laufender Kamera in einen medizinischen Ganzkörper-Scanner stieg, da hätte der Nachrichtenmann es sich noch nicht träumen lassen, dass er selbst zu einer Meldung werden sollte. Weir hatte in seiner Sendung den Krebsforscher David Agus zu Gast, dessen neues Buch „The End of Illness“ (Das Ende der Krankheit) für Aufregung unter Medizinern sorgt. Zur Veranschaulichung der von Agus propagierten Frühdiagnose bot der 44-jährige TV-Journalist sich selbst als Versuchsperson an. „Es war interessant und lustig – aber nur bis zu jenem Moment, als Agus mir ein Bild von Kalziumablagerungen in meinem Herzen zeigte und mir sagte, dass wenn sich mein Lebensstil nicht ändert, ich innerhalb von fünf Jahren tot sein werde“, berichtet Weir.
Meist diskutierter Sachbuchautor der Welt
Agus‘ Warnung an den ABC-Moderator ist charakteristisch für seine Methoden und seinen Ruf unter Wissenschaftlern: direkt, unkonventionell, aber auch umstritten. „The End of Illness“ kletterte innerhalb von wenigen Tagen nach seiner Veröffentlichung am 17. Januar in Nordamerika auf Platz Eins der „New York Times“-Bestseller Liste in der Kategorie der gebundenen Ratgeber-Bücher. Das enorme Medieninteresse in den darin von Agus publizierten Thesen zu Gesundheit und chronischen Krankheiten, vor allem Krebs, machen den Onkologen von der Universität des südlichen Kaliforniens (USC) in Los Angeles zu dem zur Zeit am meisten diskutierten Sachbuchautoren. Sein Werk sorgt besonders deswegen für Aufregung, weil es etablierte Sichtweisen der Medizin herausfordert. So bezweifelt Agus zum Beispiel, dass Vitaminpräparate gesund seien, oder sagt, dass intensives Fitness-Training krank machen kann.
Apple-Gründer Steve Jobs in der Obhut von Agus
Der bereits 2009 von dem Magazin GQ zum „Rockstar der Wissenschaft“ gekürte Forscher kann sich weltweiter Schlagzeilen sicher sein. Das kanadische Nachrichtenmagazin „Maclean’s“ warnt seine Leser auf der Titelseite vor „Fünf Dingen, die Sie heute taten und Sie umbringen könnten“. Auch in Europa findet Agus Gehör. So fragt die britische Daily Mail: „Schmeiß die Multivitamine weg, steh öfter auf, trage bessere Schuhe – können diese einfachen Ratschläge Krebs verhindern?“. Der Buchtitel „The End of Illness“ war eine Idee des für geniale Marketing-Kampagnen bekannten Steve Jobs. Der Apple-Gründer war bis zu seinem Tode 2011 mit seinem Krebsleiden bei David Agus in Behandlung.
Krebs kommt von innen, nicht von außen
Agus argumentiert, dass die Schlussfolgerungen aus dem erfolgreichen Kampf gegen bakterielle Krankheiten sich nicht auf chronische Krankheiten übertragen lassen und deswegen ein Umdenken stattfinden muss. Deshalb drehen sich die Kernthesen seines Ratgebers im Wesentlichen darum, dass die moderne Medizin nicht mehr nur durch die Deutung von Symptomen Krankheiten erkennen und behandeln muss. Vielmehr müssten mit Hilfe von moderner Technik genetische Profile erstellt werden, die vorhersagen können, ob eine bestimmt Person anfällig für eine Krankheit sei. Dann könne dieser vorgebeugt werden. So sei Krebs zum Beispiel etwas, dass nicht von außen sondern innen komme. „Man bekommt nicht Krebs, man macht ihn“, sagt der 46-jährige. Somit müsse es nun vor allem um Prävention und Frühdiagnose gehen.
Entzündungen als Ursprung allen Übels?
In seinem Buch beschreibt Agus, dass seine auf dieser Annahme beruhende Forschung ihm vor allem zwei wichtige Einsichten vermittelt habe: Erstens, dass es für den Körper nichts wichtigeres gebe als das Prinzip der Homöostase. Zweitens, dass unterschwellige Entzündungsprozesse im Körper die Quelle fast allen Übels sind, wie zum Beispiel Herzinfarkten und Krebs.
„Unsere Körper lieben vor allem Vorhersagbarkeit“, umschreibt Agus das Prinzip der Homöostase. Wenn unser System weiß, was kommt, bleibt es ausgeglichen und muss keine aufwendigen Korrekturen vornehmen. Regelmäßige Aufsteh-und Bettzeiten seien dabei ebenso wichtig wie einem genauen Fahrplan folgende Mahlzeiten mit ausgewogenen Zutaten. Abweichungen müsse der Körper ausgleichen, dazu werden Hormone ausgeschüttet, zum Beispiel Cortisol, die zu chronischen Krankheiten führen können.
David Agus verfolgt die These, dass chronische Entzündungen dem Heilungssystem des Körpers zu viel Aufmerksamkeit abverlangen und ihn davon ablenken, seine DNA zu reparieren. Deswegen seien selbst kleine Entzündungen immer ein Schritt in Richtung lebensgefährlicher Leiden wie Krebs und Infarkt. Folglich sei ihre Bekämpfung extrem wichtig. Das Spektrum reicht dabei von Grippeerkrankungen bis hin zu Schuhen mit hohen Absätzen, die ebenfalls lebensverkürzend wirken können. „Zahlreiche Studien verbinden Entzündungen mit degenerativen Krankheiten wie Alzheimer, Herzleiden, Diabetes und Autoimmunerkrankungen“, schreibt Agus. Deswegen seien Entzündungshemmer wie Aspirin oder Statin die vielleicht wichtigsten Medikamente unserer Zeit.
Vitaminpräparate sind schädlich
Die vielleicht kontroverseste Aussage des Buches dreht sich jedoch um Vitaminpräparate. Agus zitiert einen Bericht von 2010, in dem die U.S.-Behörde für Gesundheitsforschung insgesamt 63 renommierte Untersuchungen über die Wirksamkeit von Vitaminpräparaten analysierte. Ein Nachweis, dass die Vitamine Krebs oder Herzleiden vorbeugen sei nicht erbracht worden. Der einzige Grund Vitamine zu nehmen sei, wenn ein Patient ärztlich ausgewiesene Defizite habe. Doch damit nicht genug. Der Krebsforscher geht sogar so weit, einigen Präparaten gesundheitsgefährdende Eigenschaften zuzuweisen. So haben Versuche ergeben, dass zum Beispiel Vitamin E, Beta-Karotin oder Vitamin C schädlich sein können. Vitamin D und C füttern gesunde Zellen, wer sage also, dass sie nicht auch Krebszellen füttern? „Tumore naschen Vitamin C wie Süßigkeiten“, behauptet Agus.
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Und auch wenn manche Vitamine positive Effekte haben können, so sei zu wenig über Nebenwirkungen bekannt. So zeige eine Studie aus Finnland, dass Vitamin E zwar die Gefahr von Prostata-Krebs um 32 Prozent reduziere, gleichzeitig aber die Chance auf eine Hirnblutung um 50 Prozent erhöhe. „Und Tod ist eine ernste Nebenwirkung, oder?“, sagt Agus.
Viel Lärm um nichts, sagen Kritiker
Die Kritiker von David Agus bezeichnen unterdessen die von dem Wissenschaftler während der ABC-Fernsehsendung verwandten Methoden als symptomatisch für seine gesamte Herangehensweise und die Argumente seines Buches. „Kalziums-Scans sind eines der schlimmsten Beispiele von verrückt gewordener Medizin“, kritisiert Dr. Steven Nissen, Chef-Kardiologe an einem Krankenhaus in Cleveland die in der Fernsehshow verwandte Methode. Er verweist auf Untersuchungen von U.S.-Behörden, die solchen Scans keine Aussagekraft zuschreiben. Andere renommierte Ärzte stimmen auf einem bekannten amerikanischen Gesundheits-Blog in die Kritik ein. Wenn der Gesundheitsguru auch seine anderen Thesen auf solch nicht schlüssige Beweise, wie den bei Bill Weir festgestellten Kalzium in den Arterien, stütze, so bleibe unter dem Strich nicht sehr viel mehr übrig als der Ratschlag zum gesünderen Lebensstil und besserer Ernährung.
Fotocredits: © Todd Hido
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Absoluter Bullshit, alle seine Probanten sind gestorben!