Am 1. Februar 2012 ist im renommierten Online-Fachmagazin „PLoS ONE“ eine Studie der Professoren Dr. Christian Kaltschmidt und Dr. Barbara Kaltschmidt erschienen. Zusammen mit ihrem Forscherteam konnten die beiden Biologen Zellen eines ausgewachsenen Gehirns neu entstehen lassen. Dass Nervenzellen überhaupt nachwachsen können ist erst seit etwa zehn Jahren bekannt. Durch den gezielten Aufbau der Nervenzellen besteht nun die Hoffnung auf neue Behandlungsmethoden gegen Krankheiten, bei denen das Nervensystem zerfällt, wie zum Beispiel bei der Alzheimer oder Parkinson Erkrankung.
Der Transkriptionsfaktor „NF-kB“
Für die Entwicklung und Funktion des Gehirns ist das Wachstum neuer Nervenzellen entscheidend. Bisher ging man davon aus, dass dieses Wachstum von neuen Gehirnzellen im Alter fast vollständig zum Erliegen kommt. Ein Irrtum, wie sich in einem aktuellen Experiment herausgestellt hat. Denn die Bielefelder Biologen entdeckten mit ihrem Team in Zusammenarbeit mit dem Institut Pasteur Paris und den Universitäten in Bochum und Münster, dass für die Bildung neuer Nervenzellen unter anderem ein biochemischer Mechanismus zu Grunde liegt. Dieser Mechanismus wird über den sogenannten Transkriptionsfaktor „NF-kB“ geregelt. Bei diesem Faktor handelt es sich um eine Art „Gen-Schalter“, an den sich die Erbinformationen zur „Übersetzung“ heften und für den Organismus lesbar gemacht werden. Erst wenn das geschieht, können neue Nervenzellen „produziert“ werden. Und genau diesen „NF-kB“-Schalter haben die Wissenschaftler genauer unter die Lupe genommen.
Das Experiment im Überblick
Um die Funktion des Transkriptionsfaktors „NF-kB“ zu analysieren, entwickelten die Wissenschaftler einen Lerntest für einjährige Mäuse. Die Mäuse wurden für das Experiment darauf trainiert, in einem Labyrinth verstecktes Futter zu finden. Für die gesunden Mäuse bestand kein Problem in den Lernprozess und dem Auffinden des Futters. Bei einigen Mäusen blockierten die Forscher jedoch die Produktion des „NF-kB“, sodass keine neuen Nervenzellen mehr gebildet werden konnten. Das Ergebnis war eindeutig: Die Mäuse mit dem gehemmten Transkriptionsfaktor verdummten beinahe vollständig. Den Tieren war es nach erfolgreichem Training nicht mehr möglich das Futter aufzufinden.
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Der Hippocampus zerfällt
Das Ergebnis des Experimentes ließ für die Biologen den Schluss zu, dass der Hippocampus zerfällt, sofern ein Mangel an „NF-kB“ vorliegt und dadurch nicht mehr ausreichend Gehirnzellen nachwachsen können. Der Hippocampus nimmt eine wichtige Rolle bei der Neubildung von Nervenzellen ein und ist zudem für das Kurz- und Langzeitgedächtnis verantwortlich. Beide Aspekte wurden durch die Hemmung des „NF-kB“ massiv beeinträchtigt. Das Überraschende an dem Experiment war nun, dass die „kranken“ Mäuse imstande waren zu lernen, nachdem das „NF-kB“ wieder aktiviert wurde. Die Gehirne der Tiere wuchsen also wieder, obwohl die Mäuse selbst längst ausgewachsen waren. Dennoch entstanden neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen und die Hirnleistung regenerierte sich bis zum normalen Zustand, wie er auch an den gesunden Mäusen beobachtet wurde.
Ergebnisse durchaus auf den Menschen übertragbar
Wie Professor Dr. Christian Kaltschmidt meint, ließen sich die Erkenntnisse durchaus auch auf den Menschen übertragen. Zum Beispiel treten viele Aspekte des Experimentes in vergleichbarer Form auch bei der Alzheimererkrankung auf, wozu unter anderem eben die Hemmung der „NF-kB“-Aktivierung gehört. Ferner entspräche das Gehirn einer einjährigen Maus in etwa dem eines 70-jährigen Menschen. Entsprechend könne die Entdeckung wegweisend sein, um neue, wirksamere Medikamente gegen Alzheimer- oder Demenzerkrankungen zu entwickeln.
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