Ein Blick auf die Zusammensetzung des amtlichen Warenkorbs zeigt: Die vielbeachtete, offizielle Inflation gilt tatsächlich nicht für die meisten real existierenden Haushalte.
Das Statistische Bundesamt berechnet die Inflation anhand eines fiktiven Warenkorbs. Die Inflationsrate wird nicht nur durch die absolute Preisänderung der im Warenkorb enthaltenen Güter beeinflusst, sondern auch durch ihr Gewicht am Warenkorb. Die mit Abstand größte Gütergruppe ist „Wohnen, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe“ mit einem Gesamtanteil von 30,80 Prozent.
Am Beispiel Strom wird deutlich, wie stark die Aussagekraft der amtlichen Inflationsrate vom Einkommen eines Haushaltes abhängig ist. Die Nachfrage eins Haushalts nach Strom ist fast unabhängig vom Einkommen, weil jeder Haushalt Strom benötigt und ihn nur bedingt einsparen kann.
4,8 Prozent für Strom und Gas?
Im Verbraucherpreisindex entfällt auf Ausgaben für Strom ein Gewicht von 2,5 Prozent. Die Strompreise sind in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen als die Verbraucherpreise insgesamt. In Haushalten mit geringem Einkommen wirkt sich ein Preisanstieg bei Strom deutlich stärker aus als in Haushalten mit überdurchschnittlichem Einkommen.
Ausgaben für Gas machen im Warenkorb des Statistischen Bundesamtes ein Gewicht von gerade einmal 1,30 Prozent aus. Wer Gas bezieht, entfernt sich wahrscheinlich deutlich von der amtlichen Inflationsrate. Selbst bei einem günstigen Tarif müsste ein Single-Haushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 7.000 Kilowattstunden ca. 2500 Euro netto monatlich verdienen, damit lediglich 1,30 Prozent des Einkommens auf Gas entfallen.
Die Ausgaben für Tabakwaren werden im Warenkorb mit 2,20 Prozent gewichtet. Auf die wenigsten der rund 19 Millionen Raucher in Deutschland dürfte dieser Wert zutreffen. Wer eine Packung (Ladenpreis ca. 5 Euro) am Tag verqualmt, zahlt pro Jahr mehr als 1800 Euro. Um daraus eine Quote von 2,20 Prozent ableiten zu können, müsste das Jahresnettoeinkommen bei mehr als 80.000 Euro liegen.
Für Bier (zuhause konsumiert) sollen deutsche Verbraucher im Durchschnitt 0,90 Prozent ihres Einkommens ausgeben. Auf Gaststättendienstleistungen entfällt demnach ein Anteil von 2,90 Prozent.
Im Einzelfall zu rechtfertigen, in der Summe realitätsfern
Kraft- und Schmierstoffe für Privatfahrzeuge sollen 3,50 Prozent der Ausgaben eines Durchschnittshaushaltes ausmachen. Ein Haushalt mit 1700 Euro Nettoeinkommen gibt demnach rund 60 Euro monatlich an der Tankstelle aus. Bei einem durchschnittlichen Benzinpreis von 1,50 Euro und einem Durchschnittsverbrauch von 7 Litern/100 km können damit 570 Kilometer gefahren werden.
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Die Inflationsrate eines einzelnen Haushaltes weicht immer dann stark von der amtlichen Inflation ab, wenn ein Gut oder eine Gütergruppe deutlich mehr oder weniger konsumiert wird als es der Warenkorb unterstellt. Raucher, Vielfahrer und Gaskunden z. B. mussten in den letzten Jahren eine signifikant höhere Inflationsrate in Kauf nehmen als der hypothetische Durchschnittskonsument.
Das Statistische Bundesamt behauptet, der Verbraucherpreisindex berücksichtige alle Haushaltszusammensetzungen, alle Güter und alle Regionen Deutschlands. 600 Mitarbeiter erfassen demnach monatlich in 188 Gemeinden insgesamt 300.000 Einzelpreise. Die Behörde stellt auch einen Inflationsrechner zur Verfügung, in dem individuelle Gewichte unterstellt werden können.
Dennoch ist die Repräsentativität des Verbraucherpreisindexes zweifelhaft – nicht zuletzt, weil sich die Mehrheit der Bundesbürger spätestens nach dem Austausch des Währungszeichens in vielen Restaurants nach der Euro-Einführung nicht mehr durch sie repräsentiert fühlt.
Eine alternative Berechnung könnte an die seit den 1960er Jahren durchgeführte Einkommens- und Verbrauchstichprobe des Statistischen Bundesamtes anknüpfen. Dazu werden rund 75.000 Haushalte zu ihrem Konsum befragt. In einer erweiterten (und deutlich aufwändigeren) Variante könnte für jeden Haushalt ein Warenkorb ermittelt werden. Die amtliche Inflation könnte dann als Mittelwert echter Inflationsraten ausgewiesen werden.
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