Sprache ist nicht etwa totes Verbalkapital, sondern eine sehr lebendige Angelegenheit. Das beweisen kreative Wortneuschöpfungen, auch als Neologismen bezeichnet, die am Puls der Zeit für ausdrucksstarke und vor allem unmittelbar anschaulich verständliche Begrifflichkeiten sorgen. Setzen sich diese Wortneuschöpfungen kritisch bis sarkastisch begleitend mit modernen Missständen auseinander, dann können sie im Kern mehr Meinung kommunizieren, als so manche verblasene Politikerrede. Und halten sie derzeitigen oder wahrscheinlich zu erwartenden gesellschaftlichen oder technischen Entwicklungen einfach nur einen Spiegel vor, dann weiß auch ein jeder sofort, was gemeint ist. Doch egal, ob sie beißend oder beschreibend sind – es handelt sich in jedem Fall um die spannende Klasse der Trendwörter. Drei davon sollen hier exemplarisch vorgestellt werden: Die „Botox-Ökonomie“, die „Tschechdose“ und die „Post-PC-Welt“.
Botox-Ökonomie: Wenn Falten in der Volkswirtschaft mit Geldspritzen geglättet werden
Wer hat schon gerne Falten im Gesicht? Schließlich lassen die einen ganz schön alt, müde und verbraucht aussehen. Solange es sich dabei um Falten im Gesicht handelt, liegt die Lösung des Problems so nahe wie die nächste Praxis für ästhetische Chirurgie. Da geht man hin, lässt sich die notwendige Anzahl an Botox Spritzen verpassen, und verlässt den Tempel der Schönheit erstmal wieder mit einem erfrischt jugendlich glatten und straffen Teint. Der wird genau so lange halten, bis das Botox verbraucht ist, und die nächsten Injektionen fällig werden.
Die Analogie zur kosmetischen Behandlung maroder Staaten und drückender Wirtschaftsflauten liegt ganz auf der Hand. Da werden zum Beispiel die tiefen Furchen und Falten im griechischen Staatssäckel (hat da jemand etwa „bankrott“ gesagt?) mit immer neuen und erschreckend hoch dosierten Botox, pardon, Finanzspritzen optisch glatt gebügelt, wobei die Wirkung der verabreichten Dosen beängstigend schnell verpufft. Aber auch im innerdeutschen Bereich kann man die glättende Wirkung der Botox-Ökonomie an vielen Stellen sehen. Denn eine krankende Wirtschaft, die temporär künstlich mit Subventionen oder mit Konjunkturpaketen unterspritzt wird, sieht erst mal wieder ganz passabel aus. Leider jedoch nur bis zur nächsten Finanzspritze aus Berlin oder Brüssel.
Tschechdose: So profitieren unsere kernspaltenden Nachbarn von der neuen deutschen Umweltbetroffenheit
Seit den grausigen Vorkommnissen im japanischen Fukushima ist auch in Deutschland der Atomstreit wieder hell lodernd aufgeflammt. Und diesmal ist die Spaltung von Atomen zur zweifelhaft strahlenden Energiegewinnung sogar auf allerhöchster politischer Ebene in zeitgeistige Ungnade gefallen. Als Folge der akrobatisch durchaus anerkennenswerten Wendehals-Kehrtwende werden immer mehr deutsche Atomkraftwerke vom Netz genommen. Da aber der Strom, und das nicht zu knapp, nach wie vor aus der Steckdose kommen muss, müssen alternative Energielieferanten den drohenden Versorgungsengpässen vorbeugen. Nein, wie reden hier nicht von Wind, Sonne oder Wasserkraft, sondern von – Tschechien. Diese Nation hat nämlich nach wie vor keine Berührungsängste mit dem Vermächtnis von Otto Hahn, sondern hält ihre Kernkraftwerke nach wie vor munter am Laufen. Und die in Zugzwang geratenen Deutschen greifen hier herzhaft zu: Noch nie haben wir so viel Atomstrom aus Tschechien bezogen wie derzeit. Wer also hierzulande aus vollem Hals „Energiewende“ schreit, der sollte wissen, dass der Strom in deutschen Haushalten inzwischen aus der atombetriebenen Tschechdose kommt. Und wohl auch noch geraume Zeit von dort kommen wird.
Post-PC-Welt: Stationäre Rechner sind die IT-Dinosaurier von morgen
Internetfähige Smartphones und smarte Tablet-Computer gehören inzwischen nicht nur in der taffen Businesswelt zum guten Ton. Wer etwas auf sich hält, und wer seine Kompetenz in Sachen aktueller Kommunikationskultur demonstrieren will, der hält sich samt seinem Office total mobil. Wer da noch zu Hause vor seinem antiquierten Tischcomputer sitzt, macht sich vor der zukunftsfähigen Jugend fast schon lächerlich. Wie die IT-Branche vermeldet, wird es schon ab 2012 mehr mobile Kommunikationseinheiten im Sinne von Smartphone & Co. geben, als stationäre Internetrechner. Spätestens dann werden wir sie gemeinsam betreten: Die Post-PC-Welt, von der heute schon alle Netzjünger reden. Also die Welt nach dem PC. Da können die immobilen und behäbigen Tischrechner demnächst nur noch leise seufzen: morituri te salutant.
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