Für Verbraucher gilt für Fleisch im Prinzip nur eine Devise: Frisch, frischer, am frischesten. Nur beim Steak darf das Fleisch natürlich ein wenig abgehangener sein. Aber so lange, bis es schimmelt? Was auf den ersten Blick einfach nur ekelhaft und unappetitlich klingt, offenbart sich auf den zweiten, naja, dritten Blick als wahrer Gaumenschmaus. Solch extrem abgehangene Steaks gelten in den USA als Delikatesse und kosten eine Stange Geld.
Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten
Groß, medium und schön saftig sollen sie sein, die gegrillten Steaks, und gut abgehangen natürlich. Wie gut das sein kann, hat in den letzten Jahren für manch empfindlichen Magen vielleicht sogar ein wenig zu extreme Ausmaße angenommen. Denn wer in den Vereinigten Staaten von Amerika sein Steak einmal ganz besonders und vor allem auch exklusiv genießen will, greift auf ein sogenanntes „Dry Aged“-Steak zurück, das vor dem Verzehr etwa 3 Wochen lang liegen bleibt und eine dicke Schicht Schimmel gebildet hat. Zugegeben, die Vorstellung ist alles andere als einladend, aber hinter oder vielmehr unter dem Schimmel verbirgt sich das leckerste und teuerste Steak New Yorks. Eingeführt wurde das „Schimmel Steak“ durch den deutschen Wolfgang Zwiener und das Geschäft mit dem angegammelten Fleisch läuft, seine Restaurants brummen.
Dry Aged Steaks: Vom guten Fleisch zum besten Steak
Das Beste ist Wolfgang Zwiener gerade gut genug und so kauft er sein Fleisch ausschließlich in der angesehensten Fleischerei New Yorks. Zusammen mit seinem Chefkoch besucht Zwiener regelmäßig die Schlachterei in der Bronx und überzeugt sich persönlich von der hohen Qualität des Beefs, das nach seiner speziellen Lagerung zum teuren Luxus-Steak werden wird. Doch bis auf den Teller ist es noch ein langer Weg. Zunächst müssen die Rinderhälften fachgerecht zerteilt werden. Denn Zwiener kauft nur den Teil des Rindes, der frei von Sehnen aus reinem Muskelfleisch und viel Fett besteht. Ganz davon abgesehen, dass die US-Amerikaner ihr Steak ohnehin besonders fett lieben, spielt dieses bei der späteren Verarbeitung noch eine wichtige Rolle.
Sobald das Fleisch ausgewählt wurde, wird es in einer Kühlkammer eingelagert und einfach für drei Wochen liegen gelassen. Das äußere fängt an zu schimmeln und Enzyme beginnen damit, das Fleisch zu zersetzen. Dieser durch die niedrigen Temperaturen verlangsamte Verwesungsprozess verleiht dem Fleisch zusätzlichen Geschmack und ein sehr kräftiges Aroma. Der Unterschied im Geschmack solch eines „dry aged“ Steaks zu einem normalen, frischen Steak ist enorm und keinesfalls nur in Nuancen zu finden. Wichtig bei der Reifung ist eine konstante Temperatur von etwa einem Grad Celsius. Zum Vergleich schafft es der durchschnittliche Kühlschrank auf etwa vier Grad Celsius und ist entsprechend zu warm für den speziellen Reifeprozess. Das Steak würde zu Hause also komplett verderben und ungenießbar werden, während das professionelle Schimmeln unter ständiger Kontrolle keine Gefährdung für die Gesundheit darstellt. Der Schimmel entsteht bei der Reifung nämlich nur auf den äußeren Fettschichten und dringt nicht direkt in das Fleisch ein. Eine weitere Aufgabe erfüllt das Fett dadurch, dass es das Fleisch im Inneren saftig hält und noch zarter macht. Gegessen wird der Schimmel selbstverständlich nicht, sondern vor der Zubereitung großzügig entfernt. Die je nach Größe ungefähr einhundert Euro teuren Steaks, die später in Zwieners Steakhaus auf den Tellern der Gäste landen, sind absolut schimmelfrei.
Zum Schluss, der Genuss
Nach langer Vorbereitungsphase finden die ganz besonderen Steaks endlich den Weg in Zwieners Küchen. Auch die Zubereitung läuft mit hohen Standards und in festen Ritualen ab. Der Gast kann zwischen dem gesamten T-Bone-Steak samt Knochen wählen oder sich für die kleinere Portion des Filet Mignons entscheiden. Der Chefkoch persönlich schneidet die Steaks dann zu, salzt sie leicht und grillt beide Seiten zwei bis drei Minuten kräftig an. Im Anschluss wird das Steak in mundgerechte Stücke geschnitten und in ein wenig geschmolzener Butter noch einmal bis zu einem perfekten Medium gegrillt. Die Butter, das Fett und der ausgetretene Fleischsaft werden mit einem Teller aufgefangen und vor dem Servieren wieder über das Steak gegossen, was ein weiterer Zuwachs an Geschmack bedeutet und wirklich 100% Geschmack garantiert. Rund 300 Steaks werden jeden Tag auf diese Weise zubereitet, an Wochenenden oder Feiertagen auch gerne mal mehr. Und den Gästen scheint es ganz augenscheinlich zu schmecken, denn trotz hoher Preise kommen diese immer wieder und werden stetig mehr. Den deutschen Zwiener freut das natürlich, so hat er es im Rentenalter dann doch noch zum Millionär geschafft, nachdem er mit 12 Jahren in die Vereinigten Staaten eingewandert war. Und wer seinen nächsten Urlaub in den USA verbringt, kann die kultigen Schimmel-Steaks ja auch einfach einmal selbst testen. Wohl bekomm’s.
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