Epilepsie als vielgestaltiges Anfallsleiden wird üblicher Weise nicht in der Kategorie der psychotischen Erkrankungen verortet. Und die Schizophrenie als populärer „Klassiker“ unter den schweren seelischen Störungen wird ebenfalls meist nicht in einem Atemzug mit dem „Gewitter im Kopf“ genannt. Dennoch scheinen diese beiden Krankheiten eine ganze Menge miteinander zu tun zu haben, wie sich jüngst bei wissenschaftlichen Forschungsstudien herausgestellt hat. Wie wäre es sonst logisch schlüssig zu erklären, dass die Manifestation der einen Erkrankung die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten der anderen Erkrankung in bedeutsamer Weise erhöht?
Auf den ersten Blick sind keine „Familienähnlichkeiten“ erkennbar
Epilepsie lässt sich als ein Leiden beschreiben, das durch elektrische Fehlströme und Überspannungen im Gehirn ausgelöst wird. Obwohl die Patienten während des akuten Anfalls vorübergehend nicht ansprechbar sind, bleibt ihre Psyche in den krampffreien Zeiten unversehrt und intakt. Natürlich ist es auf Dauer auch für das robusteste Denkorgan nicht vorteilhaft, wenn dauernd die Sicherungen rausfliegen. Doch wenn Epileptiker rechtzeitig medikamentös gut eingestellt und ärztlich sorgfältig überwacht werden, sind die seelische Gesundheit und die mentale Leistungsfähigkeit nicht bedroht. Dann ist und bleibt der Epileptiker glasklar bei Verstand und steht mit beiden Beinen selbstbestimmt im prallen Leben.
Ganz anders sieht es bei der Schizophrenie aus. Diese Krankheit zieht nämlich den Realitätssinn der Betroffenen gehörig in Mitleidenschaft. So gehören Wahnvorstellungen und Halluzinationen aller Art zum typischen schweren klinischen Vollbild. Das kann so gravierend ausarten, dass die Patienten nur noch in der Schutzatmosphäre betreuten Wohnens, oder als lebenslange Psychiatrieinsassen ausreichend behandelt und umsorgt werden können. Ein eigenständiger Alltagsvollzug wird dann natürlich illusorisch.
Was also haben diese beiden unterschiedlichen Krankheiten gemeinsam?
Dieser Frage hat sich Professor Dr. I-Ching Chou nebst assoziiertem Wissenschaftlerteam in Taiwan zugewandt. Dazu musste er zunächst eher nüchterne Statistiken sowie einschlägige Patientendaten miteinander in Beziehung setzen. Auf diese Weise gerieten 5195 Menschen mit der Diagnose Schizophrene sowie 11527 aktenkundige Epileptiker in den forschenden Fokus. Nachdem solche zentralen Organismusvariablen wie Lebensalter und Geschlechtszugehörigkeit aus den Datensätzen lege artis herausgerechnet waren, traten recht verblüffende Verhältnisse zutage:
– Epileptiker haben, im Vergleich zur normalgesunden Bevölkerung, ein um Faktor Acht erhöhtes Erkrankungsrisiko für Schizophrenie. Ein Effekt, der sich, warum auch immer, bei den Männern deutlich dramatischer als bei den Frauen darstellt.
– Schizophrene Patienten erwartet, wiederum im Vergleich mit dem üblichen Durchschnitt, eine sechsfach gesteigerte Wahrscheinlichkeit für das zusätzliche Eintreten einer Epilepsie.
Die Ursache?
Natürlich genügt es im Rahmen wissenschaftlicher Kommunikation nicht, es beim Aufzählen deskriptivstatistischer Befunde zu belassen. Und so sah sich auch Professor Dr. I-Ching Chou in handfesten Erklärungsnöten. Darum wurde die Mutmaßung zur fachlichen Diskussion gestellt, dass diese beiden vom Phänotyp her so unterschiedlichen Krankheiten dennoch durch grundlegende Gemeinsamkeiten in der Entstehung verwandtschaftlich verbunden sein könnten. Als Wirkfaktoren wurden und werden dabei sowohl die Umweltbedingungen als auch die genetische Komponente in Betracht gezogen. Näheres und weiteres wird sich allerdings erst im Rahmen weitergehender Studien klären lassen.
Nutzt denn dieses Wissen dann jetzt überhaupt schon etwas?
Auf jeden Fall. Denn wenn Psychiater und klinische Psychologen um diese „Kreuztoleranz“ wissen, kann eine deutlich gründlichere Diagnostik durchgeführt werden, die erheblich verbesserte Therapiepläne begründen hilft.
Weiterführender Link zum Thema:
Schizophrenia and epilepsy have ’strong link‘
http://www.bbc.co.uk/news/health-14948264
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