Es ist ein Skandal der besonders empörenden Art, der jüngst durch eine wissenschaftliche Studie aus dem Shaare Zedek Medical Center in Jerusalem im renommierten „American Journal of Infection Control“ enthüllt wurde. Denn die Forscher konnten belastbar nachweisen, dass von den weißen Kitteln der Ärzte und des Krankenpflegepersonals in Kliniken und Krankenhäusern eine erhebliche Infektionsgefahr ausgeht. Der Grund: Die Berufskleidung der Halb- und Nebengötter in Weiß ist in aller Regel gründlich mit dem hoch gefährlichen multiresistenten Krankenhauskeim „MRSA Keime“ (Methicillinresitenter Staphylokokkus aureus) durchseucht. Die Lage ist so brandgefährlich, dass sogar Arne Simon, Mitglied der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut, die rigorose Verbannung der weißen Kittel aus dem Krankenhausbetrieb fordert.
Weißkittel mit MRSA Keime infiziert
Die Forschergruppe um Dr. Yonit Wiener-Well hat die weiße Arbeitskleidung von Krankenhauspersonal – 60 Ärzte und 75 Pfleger/-innen hatten diese zur Verfügung gestellt – genauestens unter die Lupe genommen. Dabei legten sie besonderes Augenmerk auf die textilen Regionen um die Leibesmitte, an den Ärmeln und an den Taschen, weil es dort am ehesten zu direkten Berührungskontakten mit den Patienten kommen kann. Was bei dieser Inspektion zum „Vorschein“ kam, wirft ein ziemlich schlechtes Licht auf das Hygieneverständnis und die Reinlichkeit im normalen Hospitalbetrieb. Denn: Auf knapp 65% der gecheckten Kittel hatten sich die verschiedensten Bakterienstämme ebenso Flächen deckend wie häuslich eingerichtet. Darunter auch der mit Recht gefürchtete Schrecken jedes Krankenhauspatienten: MRSA Keime. Wer sich den als ohnehin immungeschwächter Patient bei der Chefarztvisite unbeabsichtigt vom Kittel pflückt, dem kann kein gängiges Antibiotikum mehr helfen.
Woher kommt diese schlimme Schweinerei?
Eigentlich sollte es für jeden Krankenhausmitarbeiter eine Selbstverständlichkeit sein, den getragenen Kittel täglich gegen einen frisch gewaschenen und entkeimten Nachfolger zu wechseln. Wie gesagt: Eigentlich. Die schmutzigen Fakten sehen allerdings gänzlich anders aus. Denn diesem obersten Gebot textiler Vorsorge kommen lediglich knapp 60% der Weißkittelträger nach. Und schlimmer noch: 18% der anonym Befragten, der Löwenanteil davon der Ärzteschaft zugehörig, gestanden unumwunden ein, ihren Kittel schon seit fast einer Woche zu tragen. Kein Wunder, dass dort die exotischsten Biotope ungestört zu üppiger Blüte gelangen können. Bedenkt man dabei die rasende Geschwindigkeit, mit der sich Keime vermehren, dann kann man sich eigentlich nur noch wundern, warum diese Kittel trotz allem immer noch weiß aussehen, und dadurch eine mehr als trügerische Sauberkeit suggerieren.
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Wie gefährlich kann das für Patienten werden?
Zu dieser heiklen Frage schweigt sich die Studie leider aus. Ob hier eine Krähe der anderen kein Auge aushacken wollte, mag dahin stehen. Doch man braucht nicht viel Phantasie, um sich hier mit dem kleinen Einmaleins der Infektionskrankheiten selbst auszurechnen, wie brisant eine allzu innige Tuchfühlung mit dem Arzt, der Schwester oder dem Pfleger werden kann. Jedenfalls sollte man es lieber nicht drauf ankommen lassen.
Was könnte man dagegen machen?
Hygieneexperten raten dringend dazu, sich unbedingt an das Gebot des täglichen Kittelwechsels zu halten – egal, welcher Gehaltsstufe man angehört. Darüber hinaus werden kurzärmelige Kittel favorisiert; wo kein Ärmel ist, können sich nämlich auch keine Keime einnisten. Als dritten Punkt fordern die Experten das zusätzliche Anlegen von Plastikschürzen. Und natürlich: Handhygiene! Und zwar vom allergründlichsten!
Quelle: Yonit Wiener-Well, Margalit Galuty, Bernard Rudensky, Yechiel Schlesinger, Denise Attias, and Amos M. Yinnon: Nursing and physician attire as possible source of nosocomial infections. AJIC: American Journal of Infection Control Volume 39, Issue 7 , Pages 555-559, September 2011
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