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Badezimmerwaagenbiographie:

Rainer Hunold – Übergewicht ist schwer in Ordnung

Wohlfühlbuch - Rainer Hunold: Ich bin nun mal dickWir driften unübersehbar in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft hinein. Auf der einen Seite stehen die brandmageren Supermodelanwärter, denen man das Ave Maria durch die Rippen pfeifen kann, und die einen Kugelbauch zu bekommen scheinen, wenn sie mal eine Johannisbeere am Stück verschlucken. Auf der anderen Seite dagegen findet man jene Zeitgenossen, deren wohl gerundeter und wohl genährter Körper sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen stemmt, auch nur ein einziges Gramm Speck freiwillig oder gar dauerhaft herzugeben. Zu Letzteren zählt der bekannte und überaus beliebte Schauspieler und Adolf-Grimme-Preisträger Rainer Hunold. Auch er hat die Abfälligkeiten, mit denen Pfundsmenschen in unserer Magerwahngesellschaft tagein tagaus bedacht werden, reichlich zu schmecken bekommen. Zum Glück hat er all diese Schmähungen und Gemeinheiten aber nicht länger runtergeschluckt, sondern ein höchst lesenswertes Buch zum Thema geschrieben. Der Titel „ich bin nun mal dick“ ist hier Programm. Und die Unterzeile „Ein Wohlfühlbuch“ lässt ahnen, dass die gemütliche Lektüre dieses sehr persönlichen Lebensberichtes allen Menschen ein Labsal sein wird, die schon seit Jahren verzweifelt mit ihrem Gewicht kämpfen.

Kämpfen oder dicken Frieden schließen?

Rainer Hunold hat es buchstäblich nie leicht gehabt. Obwohl seine strahlend blauen Augen, sein gewinnendes Lächeln und sein natürlicher Charme ihn zum designierten Publikumsliebling gemacht haben – man denke nur an „Dr. Sommerfeld – Neues vom Bülowbogen“ – ruhten die missbilligenden Blicke seines sozialen Umfelds doch immer auch auf seiner stabilen Statur. Und das hat ihn in jenen Zeiten, in denen ihm das noch etwas ausgemacht hat, durch sämtliche gängigen Diät-Fegefeuer geschickt. Wie abertausende andere XXL-Menschen auch hat er sich beispielsweise durch die Kohlsuppendiät oder die Atkins-Diät eine dauerhaft schlanke Silhouette erhofft. Und obwohl anfängliche Erfolge ihn in die Gesellschaft der Schlanken einzureihen schienen (ein Gewichtsverlust mit Atkins von 45 Kilogramm ist schließlich kein Pappenstiel), musste auch Rainer Hunold sich letzten Endes dem feisten Bumerang namens Jojo-Effekt geschlagen geben. Heute hat er das ewige Auf und Ab in seinen persönlichen Gewichtsklassen als natürliche individuelle Organismusvariable akzeptiert und ruht gewissermaßen in sich selbst. Er ist nun mal dick – na und? Die Zeiten, in denen er meinte, sich dafür entschuldigen zu müssen, hat er entspannt hinter sich gelassen.

Vernarbte Seele unter dickem Fell

Trotz aller mentalen Gereiftheit ist natürlich auch Rainer Hunold die Gemeinheit der Dünnanbeter nicht im Anzug hängen geblieben. Mit der zwischen den Zeilen aufblitzenden Qual einer bei Witterungsumschwung stark schmerzenden Narbe berichtet er von all den Grausamkeiten, die er als Dicker über sich ergehen lassen musste. Dabei bekommt der Leser einen berührenden und teilweise durchaus erschütternden Einblick in die psychischen Abgründe, an deren Rand übergewichtige Menschen von den Hungerhaken dieser Welt geschubst werden. Zum Glück weiß der starke Autor seine Abrechnung mit den BMI-Götzendienern zwischendurch mit schriftstellerischer Eloquenz und heiteren Randnotizen zu würzen. Darum wird jeder, der sich dieses Buch bis zum Ende genüsslich zu Gemüte führt, am Ende zu der befreienden Erkenntnis gelangen, dass Übergewicht kein Problem ist, wenn man keins draus macht. Oder machen lässt.

Dick zu sein ist völlig OK. Wer zu dieser persönlichen Sichtweise gelangen will, kommt um Hunolds Badezimmerwaagenbiographie nicht herum.

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