Unabhängig davon, wie die Wissenschaften den Begriff „Human Resources“ definieren und zu beschreiben vermögen, verbirgt sich hinter dem scheinbar harmlosen, modern wirkenden und für manchen sicherlich auch eindrucksvollen Wörtchen eine Qualität, die bei genauerer Betrachtung eigentlich das blanke Entsetzen auslösen sollte. Denn die „Human Resources“ lassen sich nicht nur mit „menschliche Reichtümer“ übersetzen, sondern auch mit „menschliche Betriebsmittel“, was die praktische Handhabung auch deutlich besser beschreibt, als es die beschönigenden Theorien glauben machen mögen. Denn die gemeine Arbeiterschaft verkommt immer mehr zur Ware und fühlt sich teilweise ganz und gar nicht wie das wohlbehandelte, hochgeschätzte Kapital eines Unternehmens.
Vom Humankapital zur Verschleiß-Ware
Aus wissenschaftlicher Sicht fasst das „Humankapital“ das Wissen und Können jedes einzelnen Mitarbeiters zusammen. Generell keine schlechte Annahme, bilden neben sämtlichen Sachwerten die Angestellten also das Kapital eines Unternehmens und werden zum wichtigen Teil der Unternehmenskultur. In der Theorie eine gegenseitige Beziehung, bei der die eine Seite von der anderen profitiert und alle glücklich sind. Man sollte meinen, dass das heutzutage vielmehr eine vernünftige Selbstverständlichkeit ist als das Ergebnis wissenschaftlicher Erkenntnis, aber durch die akademische Handhabung lassen sich eklatante Defizite in Arbeitsbeziehungen eben angenehmer verschleiern, als im direkten Dialog mit den Arbeitnehmern. Die Thematik wird auf eine intellektuelle Ebene katapultiert, welcher der gemeine Arbeiter gar nicht mehr folgen soll, sondern einfach schluckt, was die Elite vorgibt. Sicherlich sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse alles andere als falsch, doch spielen sie den Ball gewissenlos dem Profit zu und stellen den Menschen gnadenlos ins Abseits. Denn die Praxis des „Humankapitals“ zeichnet ein nicht ganz so humanes Bild: Bei vielen großen Unternehmen steht der Umschlag an Personal dem der Waren kaum noch nach. Die Rede ist von geliehenem Kapital auf Zeit oder besser – Leiharbeit. Auch diese ist theoretisch zumindest nicht die schlechteste Idee. So erhalten Menschen mit einem Ausbildungsberuf eine Festanstellung bei einem Arbeitgeber und werden immer dort eingesetzt, wo sie gerade gebraucht werden. Die Bedrohung von Arbeitslosigkeit durch Arbeitsmangel ist gering und in den USA funktioniert das Modell schließlich auch schon seit Jahrzehnten. Doch in der Praxis wird Leiharbeit leider häufig mit Sklavenarbeit verwechselt, denn als was sonst könnte man den Einsatz voll leistungsfähiger Arbeitskräfte bezeichnen, welche für die gleiche Arbeit wie sie die Festangestellten auch tätigen, nur einen Bruchteil deren Vergütung erhalten und dadurch nicht selten am oder unter dem Existenzminimum haushalten müssen? Aber mit dem Wort Sklaverei sollte man vorsichtig umgehen, reagieren sämtliche Verantwortliche darauf äußerst allergisch.
Gibt es also guten und schlechten Menschenhandel?
Bei Themen wie Prostitution gegen den Willen der Frauen, bei Kinderarbeit oder auch bei „echter“ Sklaverei, wie sie noch in vielen Teilen der Welt stattfindet, sind sich alle mehr oder weniger einig: Das ist ein Skandal und darf nicht sein. Aber wo genau liegt denn der Unterschied zwischen solchen „echten“ Skandalen und dem sonstigen Handel mit Arbeitskraft? Geht der gelernte Elektriker wirklich gerne und aus freiem Willen im Namen der Leiharbeitsfirma die Toiletten schrubben oder vielleicht doch eher, weil ihn sonst Sanktionen erwarten, die seine Existenz und die seiner Familie bedrohen, wenn er es nicht tut? Wird er nicht auch sozial entwurzelt und ständig umgepflanzt, unabhängig davon wie günstig oder ungünstig sich Einsatzort, Arbeitszeit oder Arbeitsumfeld auf ihn auswirken? Wer über diese Fragen einfach hinwegsieht, verkennt die Realität. Denn viele Menschen nutzen mittlerweile das Internet als Sprachrohr und machen ihrem Ärger Luft, indem sie ungeschönt von den als unmenschlich empfundenen Bedingungen schreiben, unter denen sie arbeiten und gleichzeitig oftmals mit verzweifeltem Unterton darauf hinweisen, dass es kaum Alternativen für sie gibt. Nur Ausnahmen? Jammern auf hohem Niveau? Mitnichten, denn die Stimmen häufen sich und werden lauter, die Menschen immer frustrierter und demotivierter, aber Gehör oder gar Verständnis finden Sie kaum, weder politisch noch gesellschaftlich.
Alles nur Quatsch?
Für die eine Seite gewiss, für die andere eher nicht. Bis hierher sind schon einige provokative Sätze gefallen und das nicht unbewusst. Auch mag manche Behauptung polemisch wirken, doch spiegeln die bisher erwähnten Ansichten eben nicht Theorien, Gesetze oder Richtlinien wider, auch keine Pläne und Möglichkeiten, wie die Situationen sein könnten oder sollten, sondern ganz einfach die Stimmung von der anderen Seite der Regulierungsapparatur, die Stimmung der betroffenen Menschen, die nicht nur als menschliche Betriebsmittel bezeichnet, sondern auch so behandelt werden und von Menschlichkeit kaum noch eine Spur finden können. Denn so positiv die moderne Sklaverei auch verkauft werden soll, ist sie im Kern das gleiche geblieben, wie eh und je, nämlich die Verfügung und der Handel Weniger über und mit der Arbeitskraft Vieler. Die Peitsche der Sklaventreiber ist dabei längst unsichtbar geworden, aber lauscht man den neuen Druckmitteln ein wenig genauer, ist das Knallen noch deutlich zu hören. Wenn der Personalausweis dann irgendwann noch durch einen „Worker Pass“ ersetzt wird und sich statt dem Namen nur noch eine Nummer findet, dann sind wir endgültig in der schönen, neuen Welt angekommen. Fragt sich nur, für wen und für wie Wenige die Welt dann noch schön sein wird.
Natürlich, die Themen Zeitarbeit, Mindestlohn, Ausbeutung und so weiter und so fort, sind nicht neu, aber wäre es gerade darum nicht unlängst Zeit, dass sich endlich etwas verändert? Geredet wurde viel, versprochen noch mehr, aber grundlegende Lösungen bleiben die Vertreter des Volkes weiterhin schuldig. Zieht man es in Betracht, dass überhaupt keine Lösungen gewünscht sind und sich die Situation sogar noch weiter verschärfen wird, bleibt vielen Menschen einfach nichts anderes übrig als die abgenutzte gute Miene zum bösen Spiel aufzusetzen und die „Human Resources with Inhuman Means“ über sich ergehen zu lassen, so lange zumindest, bis das Fass letztlich überläuft.
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