Startseite / Wirtschaft / Karriere / Karoshi – Der plötzliche berufsbedingte Tod

Schuften bis zum Umfallen:

Karoshi – Der plötzliche berufsbedingte Tod

Was sich wie ein Manga anhört, ist kein Spaß. Karoshi ist der Tod durch zu viel Arbeit. Stress und Überstunden werden mit dem Tod bezahlt.

Überarbeitung: Meetings und Besprechungen in JapanArbeit kann krank machen – diese Erkenntnis ist nicht neu. Wenn wir in Deutschland über die Gefahren der Belastung im Berufsleben lesen, so ist meist die Rede vom Burnout, von Stress durch Mobbing oder Zeitdruck, von Tinnitus, Schlaflosigkeit und psychosomatischen Erkrankungen.

Krankwerden durch Arbeit geht schleichend und wir versuchen, die Symptome rechtzeitig wahrzunehmen und einzuschreiten. Aber während wir Statistiken über berufsbedingte Krankheitsfälle führen, hat Japan eine erschreckende Steigerung zu bieten: Hier geht es nicht um Erkrankungen, sondern um Todesfälle. Dass es nicht um Einzelschicksale, sondern um ein gesamtkulturelles Problem geht, zeigt sich schon dadurch, dass es dafür einen eigenen Namen gibt: Karoshi.

Wenn Überstunden Normalität sind

Produktivität ist in Japan oberstes Gebot. Der Weg an die Spitze der Weltwirtschaft, den Japan seit Jahrzehnten mit Nachdruck verfolgt, ist nur mit rigorosem, aufopferndem Arbeitseinsatz der Bevölkerung zu schaffen.

Fünf-Tage-Woche? Manche japanische Arbeitnehmer kennen keine regelmäßigen freien Tage! Überstunden? Gehören fast selbstverständlich dazu, ja werden zum Teil sogar als selbstverständlich vorausgesetzt.

Laut einer offiziellen Umfrage sind für mehr als 60 Prozent der japanischen Männer zwanzig Überstunden im Monat Normalität – unbezahlt, versteht sich! Dass aber viele Arbeitnehmer noch wesentlich mehr arbeiten und sich dabei nicht nur bis zur Erschöpfung, sondern sogar zu Tode schufte, belegen die Statistiken für Karoshi, den Tod durch zu viel Arbeit.

Jährlich wird in rund 150 Fällen Karoshi offiziell anerkannt. Wer sich die fast unglaublich hohe Voraussetzung für diese Anerkennung anschaut, kann sich denken, dass die Dunkelziffer noch viel höher ist.

Die Hürde ist hoch angesetzt!

Karoshi - zu viel Arbeit führt zum TodEgal, ob es sich um einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder sogar auch um einen Selbstmord handelte, wenn die Überprüfung der letzten 6 Monate ein wesentliches Kriterium als zutreffend bestätigt, wird der Tod als berufsbedingt mit Versicherungsschutz eingestuft: Mehr als 100 Überstunden im Monat vor dem Tod oder 80 Überstunden im Schnitt der letzten sechs Monate.

Bei einer Fünf-Tage-Woche wären das vier Überstunden jeden Tag! Diese amtliche Diagnose „Karoshi“ zu erhalten, ist für Hinterbliebene in Japan sehr wichtig, denn dann haben sie Anspruch auf Entschädigungszahlungen. Allerdings müssen sie diese Anerkennung manchmal in langwierigen Gerichtsprozessen erkämpfen.

Nur zwei Karoshi-Beispiele von vielen

So wie in dem Beispiel einer McDonald’s-Filialleiterin. Nachdem die 41-Jährige 2007 nach einer Gehirnblutung starb, dauerte es zwei Jahre, bis bestätigt wurde, dass die 81 (unbezahlten!) Überstunden, die sie im Schnitt monatlich leistete, ursächlich für ihren Tod waren.

Im Falle eines Toyota-Angestellten musste die Witwe gar fünf Jahre kämpfen, bis das Herzversagen ihres Mannes nach einem Monat mit 106 Überstunden als Karoshi eingestuft wurde.

Alles geben für die Gemeinschaft

Schutzvereinigungen, die um die Arbeitnehmerrechte und das Durchsetzen angemessener Arbeitszeiten kämpfen, sehen sich nicht nur mit der Schwierigkeit konfrontiert, die Arbeitgeber zur Einsicht zu bewegen. In der japanischen Mentalität ist die Angst, bei Ablehnung von unzumutbarer Mehrarbeit das Gesicht zu verlieren, tief verwurzelt.

Wer geht, bevor die Arbeit fertig ist, lässt die Arbeitskollegen im Stich. Die Gruppe, das Team, die Abteilung hat im japanischen Bewusstsein einen viel wichtigeren Stellenwert als im europäischen und dafür geht man bis an seine Grenzen – und viel zu oft auch darüber hinaus!

Weiterführende Links zum Thema:

Karoshi-Death from overwork: Occupational health consequences
of the Japanese production management

Mission of the JICOSH
http://www.jniosh.go.jp/icpro/jicosh-old/english/aboutjicosh/index_aboutJICOSH.html

Die Tage zu lang, die Nächte so kurz
http://www.welt.de/print-welt/article639355/Die_Tage_zu_lang_die_Naechte_so_kurz.html

Schuften bis zum Tod
http://www.sueddeutsche.de/karriere/ueberarbeitung-in-japan-schuften-bis-zum-tod-1.148349

© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten

Über Redaktion

Beiträge und Artikel die mit der Bezeichnung "Redaktion" gekennzeichnet sind, werden in aller Regel durch die Mitglieder der Redaktion veröffentlicht. Das sind unter anderem: Mikela Steinberger, Michael Wolfskeil, Stephan Lenz, Angelika Lensen, Frank M. Wagner und Manuela Käselau. Auch Artikel von Autoren deren Name nicht genannt werden soll, werden unter diesem Label publiziert. Darunter sind einige erfolgreiche Buchautoren.