Der Verein der Deutschen Sprache – VDS – ist besorgt über den stetigen Zuwachs an Anglizismen, englischen Begriffen also, die sich schleichend in unsere Muttersprache mogeln oder, schlimmer noch, gemogelt werden. Am Pranger der Schützer unserer deutschen Sprache stehen oftmals die Werbe- und Unterhaltungsindustrie und das nicht zu Unrecht. Der Fernsehsender Pro7 weiß uns dauerhaft zu „entertainen“, während uns Siemens „inspired“ und wir um die Weihnachtszeit aus allen Ecken mit einem „Merry X-Mas“ bedacht werden.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, drängen sich immer mehr Unternehmen und auch staatliche Einrichtungen unter das vermeintlich moderne, weltoffene Rampenlicht der Lehnswörter aus dem Englischen. Doch während diese Unternehmen bemüht sind modern aufzutreten und sich wohl versprechen gerade jüngere Generationen anzusprechen und zu beeindrucken, treten sie ganz nebenbei ihre Sprache und Kultur mit Füßen. Um auf den grob fahrlässigen Umgang mit Sprache aufmerksam zu machen und auch in der Hoffnung, dass die Sprachtäter vielleicht wieder zur Besinnung kommen, wählen die Mitglieder des VDS jährlich den Sprachpanscher. Hier sind die Kandidaten für das Jahr 2011.
Sprachpanscher mit Tradition
René Obermann – Deutsche Telekom
Die Deutsche Telekom bedient sich leider immer weniger deutschen Begriffen, ein Missstand, der dem Verein Deutscher Sprache schon im Jahre 1998 aufgefallen war. Der VDS-Vorsitzende Walter Krämer kritisierte den damaligen Telekom-Vorstand folgerichtig in einem offenen Brief und René Obermann, der Nachfolger des damaligen Vorsitzenden, gelobte Besserung. War aber wohl nichts. Denn Rund 13 Jahre nach der ersten Schelte hat sich bei der Telekom nichts geändert und Tarife, die in der Vergangenheit als „City-Call“, „German Call“ oder auch „Sunshine-„ und „Moonshine-Tarif“ bezeichnet wurden, heißen jetzt „Call & Surf“, „Entertain Comfort“ oder auch „Business Complete“.
Kabinettgetuschel…auf Englisch
Kristina Schröder – Bundesfamilienministerin
Während sich Unternehmens-Denglisch schon seit Jahren zu etablieren scheint, sollten doch zumindest staatliche Organe bestrebt sein, in ihrer Muttersprache zu kommunizieren. Aber auch hier: weit gefehlt. Kristina Schröder ist das jüngste Mitglied im Kabinett und versucht scheinbar auch hier Modernität durch englische Sprache versprühen zu wollen. Entsprechend wurde dann auch der „Equal Pay Day“ eingeführt, ein Tag, der auf den Lohnunterschied von Mann und Frau aufmerksam machen soll. Die Rede ist in diesem Kontext konsequenter Weise dann auch nicht mehr von Geschlecht und Vielfalt sondern von „gender and diversity“.
Sie suchen Arbeit? – Lernen Sie Englisch
Frank-Jürgen Weise – Chef der Bundesagentur für Arbeit
Das Arbeitsamt gibt es nicht mehr. Vielerorts sind nur noch Job-Center zu finden. Aber keine Sorge, dort erhalten Sie nach wie vor „Pocket-Flyer“, die Sie zum „Team-Player“ machen und Ihnen zeigen, wie man am vernünftigsten eine Bewerbung erstellt, in der die „Soft-„ und „Hardskills“ dann optimal herausgearbeitet werden. Aber auch für Existenzgründer bietet sich in speziellen Coachings die Möglichkeit den perfekten „Start-Up“ zu erleben. Und weil man in der frischgebackenen Arbeitslosigkeit oder Existenzgründung nichts Besseres zu tun hat, erhält man zu Beginn gleich einen „Crash-Kurs“ in „Business-English for Beginners“ – nicht wirklich, aber das kommt bestimmt auch noch.
Verträgt Ihr Fahrzeug überhaupt „Fuel“?
Peter Blauwhoff – Vorsitzender Shell Deutschland Oil GmbH
Die Shell GmbH hat in Deutschland scheinbar Abstand vom Verkauf des Benzins genommen. Im Angebot finden sich stattdessen Flüssigkeiten, wie „Shell Fuel Save“, „V-Power“ und „V-Power-Racing“. Glücklicherweise können Sie aber von der „Lube-Match“ profitieren und im „Clubsmart“ wird Ihnen sicherlich gerne die deutsche Entsprechung der englischen Leistungen erklärt.
Das Wort in Gottes Ohr
Nikolaus Schneider – Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche Deutschland EKD
Immerhin kann man sich auf traditionsbewusste Institutionen, wie die Kirche verlassen, die ganz sicher nicht dem Trend denglischer Bezeichnungen nachjagt oder doch nicht? Nein, leider nicht, denn auch die evangelische Kirche veranstaltet lieber „Church-Nights“, „Marriage-Weeks“, „Worship Summerpartys“ und natürlich „Luther Activities“. Nominiert wurde die evangelische Kirche nicht zuletzt aufgrund hunderter Beschwerdebriefe anhängiger Christen.
What’s next? We’ll see
Ja, was kommt wohl als nächstes, fragt man sich und man wird sehen. Amtssprache: Englisch? Eine Verbotsliste deutscher Bezeichnungen? Noch mögen die Fragen zynisch klingen, aber wer sich zum Beispiel mal die Liste der Anglizismen des VDS betrachtet, wird feststellen, dass diese Fragen vielleicht schon aktueller sind, als uns lieb sein kann. Versuchen Sie doch einmal selbst nur einen Tag ohne Anglizismen auszukommen: Das wird schwierig werden.
Die Wahl endet am 26. August und auch wenn derzeit der Telekom-Vorsitzende René Obermann die Liste anführt, wird es letztlich keinen Unterschied machen, wer den Sieg zum Sprachpanscher 2011 erringt. Denn verdient haben es alle fünf und der wirkliche Verlierer steht ohnehin bereits fest: die deutsche Sprache.
Weiterführende Links zum Thema „Anglizismen“:
Seite vom Verein Deutsche Sprache
http://www.vds-ev.de
Der Anglizismen-Index des VDS
http://www.vds-ev.de/aindex-thema
Wahl zum Sprachpanscher des Jahres 2011
PDF: http://www.vds-ev.de/images/stories/startseite/meldungen/2011/sprachpanscherstimmzettel_2011.pdf
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