Ein Auto ohne Radio (Autoradio) ist wie ein Winter ohne Schnee – es macht keinen Spaß. Das Radio rettet einen über jeden Stau, warnt vor Unfällen und Falschfahrern, verleiht den vorbei fliegenden Landschaften ihre musikalische Untermalung und zaubert menschliche Stimmen in noch so einsame Nachtfahrten. Außerdem holt es auf Urlaubsreisen mit fremdsprachigen Programmen einen Hauch landestypisches Flair ins Wageninnere. Vor 75 Jahren wurde das erste Autoradio auf den Markt gebracht – ein 15 Kilo schwerer Klotz mit Fernbedienung und Glaskolbenröhren.
Seinen letzten, harten und heißen Test erhielt das Premieren-Autoradio in der Sahara-Wüste. Danach befanden die Techniker, dass es durchaus zur Sensation auf der Berliner Funkausstellung herhalten könne. Was heute allenfalls ein erstauntes Lächeln auslösen könnte, galt damals als purer Luxus für die Reichen der Reichen: ein mächtiger, schwarzer Kasten in Schuhkartongröße mit einem komplizierten, empfindlichen Innenleben aus mehr als 1000 Bauteilen.
Bei den ersten Konstruktionen hatten sich die Glaskolbenröhren zudem als so sensibel erwiesen, dass das Radio den Erschütterungen des Straßenbelags nie gewachsen gewesen wäre. Doch dann kamen die Tüftler der Firma Blaupunkt auf die Idee, elastische Gummibänder als Halter einzusetzen, welche die Stöße beim Fahren sanft abfederten und das zerbrechliche Konstrukt schützten.
Getauft wurde das wuchtige Ungetüm auf den klingenden Namen „Autosuper AS 5“ und servierte dem geneigten Autofahrer ein kunterbuntes Programm, in dem auch Live-Übertragungen, „Marktberichte für Landwirte“, Hausfrauensendungen und Hörspiele nicht fehlten.
Während in den USA schon weitaus mehr Radios lange Highway-Touren begleiteten und sogar in Serien hergestellt wurden, wanderten in Deutschland in den 30er Jahren lediglich 400 „Autosuper AS 5“ für satte 465 Reichsmark pro Stück über den Ladentisch – zum Vergleich: ein Neuwagen kostete um die 1300 Reichsmark – und wurden dann vorwiegend in Nobelschlitten wie Maybach oder Horch eingebaut. Der Clou war eine Fernbedienung, die am Lenkrad befestigt wurde und über das Lautstärke und Senderwahl gesteuert werden konnte.
Seitdem hat sich vieles getan in der Armaturenfront der deutschen Autos: Ein integriertes Radio, meistens mit CD-Player ausgerüstet, gehört heute zum Standard eines Neuwagens. Die Lautsprecher schmiegen sich in die Seitentüren oder bei besonders bassstarken Anlagen in die Hutablage; die Senderpalette ist immens groß und bietet einen klaren Sound, der sogar auf Wunsch je nach Musikstil modifiziert werden kann.
Der Trend der Zukunft heißt auch beim Autoradio Multimedia: Viele Autofahrer sind schon auf MP3-Player umgestiegen und können damit unterwegs aus Hunderten von abgespeicherten Songs ihren persönlichen Soundtrack zusammenstellen. In der Entwicklung sind zudem preisgünstige Radio-Kombinationsapparate mit Navigationssystem, CD- und MP3-Player und eigenem Bordcomputer, über den Fernsehen empfangen und Filme angeschaut werden können.
Obwohl in diesen Modellen das Radio nur noch eine kleine Facette von vielen ist, wird es wohl nie dauerhaft aus den Autos verschwinden. Denn die meisten Fahrer wollen unterwegs auf die aktuellen Nachrichten, Stauwarnungen und das muntere Geplapper der Moderatoren samt Comedy-Formaten nicht verzichten. Und das ist nicht zu übersehen: Wenn ein Autofahrer alleine im Stau steht und plötzlich herzlich zu lachen beginnt, hat er dies mit ziemlicher Sicherheit seinem treuen Autoradio zu verdanken.
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