In vielen Reportagen und Fachartikeln versuchen Journalisten und Wissenschaftler zu vermitteln, was in den Kernreaktoren in Japan geschieht und welche Gefahren von Atomkraft ausgehen. Doch wer mit dem Verstand erfasst, was bei einer Kernschmelze geschieht, ist dadurch nicht automatisch auch persönlich berührt.
Das Schicksal Betroffener miterleben, dem Leid einen Namen geben und sich hinein fühlen in das, was radioaktive Strahlung mit Menschen und Natur macht, ist ein anderer Weg der Information, den Schriftsteller wählen, wenn sie in Romanen und Jugendliteratur fiktive atomare Katastrophen schildern. Es ist ein eindrücklicher Weg.
Wenn „Die Wolke“ kommt
Unzählige Schüler haben in den achtziger und neunziger Jahren „Die Wolke“ von Gudrun Pausewang als Schullektüre gelesen. Bereits die 13. Auflage ist mittlerweile erschienen, aber das Buch hat nichts von seiner Aktualität und ergreifenden Faszination verloren. Die Autorin schrieb es unter dem Eindruck des Tschernobyl-Unglücks, um vor allem den Jugendlichen die Ausmaße einer derartigen Katastrophe begreiflich zu machen.
Auch für Erwachsene ist das mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Buch eine fesselnde und erschreckende Lektüre. Der Leser wird mit dem Schicksal von Janna-Berta konfrontiert, die als 14-Jährige mit ihrem kleinen Bruder nach einem Reaktorunfall vor der radioaktiven Strahlung flüchtet. Nicht nur mit dem Unfalltod ihres Bruders muss sie dann fertig werden, auch mit der eigenen Verstrahlung, den Folgen und der Ausgrenzung durch die Mitmenschen.
Bedrückende Zukunft: „Die letzten Kinder von Schewenborn“
Ebenfalls aus der Feder von Gudrun Pausewang stammt das 1983 veröffentlichte Jugendbuch „Die letzten Kinder von Schewenborn“. Hier ist es nicht ein Reaktorunfall, der für eine radioaktive Verseuchung sorgt, sondern Atombomben, die Mitteleuropa zerstören.
Aus der Sicht des 12-jährigen Roland Bennewitz erlebt der Leser die Jahre nach der Katastrophe, die Zerstörungen und die schweren Folgen der Verstrahlung. Am Ende des Romans ist Roland 17 Jahre; er hatte den Tod seiner Großeltern gleich zu Beginn durch die Atombombe und den seiner Schwestern und anderer Kinder durch Strahlenkrankheiten zu verkraften. Die Mutter stirbt bei der Geburt eines weiteren Kindes, das missgebildet zur Welt kommt und vom Vater getötet wird.
Das Buch mutet den Lesern in Offenheit viel Grausamkeit zu. Aber nicht Gudrun Pausewang ist grausam, sondern die Realität der atomaren Gefahr.
Die Gefahr kommt „Wenn der Wind weht“
Bekannt geworden ist der Comic „Wenn der Wind weht“ von Raymond Briggs später als Zeichentrickfilm. Als er Anfang der achtziger Jahre entstand, war für viele die Bedrohung durch Atomraketen wegen der Erfahrungen des Kalten Krieges sehr real.
Briggs zeichnet sehr realistisch und mit Liebe zum Detail einige Tage der alten Eheleute Jim und Hilda nach, ihre Vorbereitungen auf den drohenden Erstschlag, der dann auch kommt und die Zeit danach. Die Bilderbuch-Zeichnungen sind abwechselnd in bunten und schwarz-weißen Farben gehalten und lassen die Gefahr sehr realistisch werden.
Die hoffnungslose Atmosphäre, die Briggs schafft, führt zum erwarteten bedrückenden Ende. Ein Comic, der nicht komisch ist und auch nicht zur Jugendliteratur zählt, aber zum Klassiker wurde.
© Pixel Trader Ltd. 2013 Alle Rechte vorbehalten