Im Frühjahr 1900 fanden Taucher in der Ägäis ein römisches Handelsschiff, das nach heutigen Erkenntnissen dort etwa 150 Jahre vor Christi Geburt bzw. dem Beginn unserer Zeitrechnung gesunken ist. Unweit der kleinen Insel Antikythera wurden sie endlich fündig – und machten eine außerordentliche Entdeckung, deren Bedeutung erst fast ein Jahrhundert später richtig gewürdigt werden konnte: den Mechanismus von Antikythera.
In einer Tiefe von 40 Metern unter dem Wasserspiegel fanden die Taucher in dem Wrack Amphoren und Münzen, Statuen aus Bronze und Marmor und einen verrosteten Gegenstand aus Metall, der ungefähr die Größe eines Schuhkartons hatte.
Interessant waren für die Archäologen jedoch vor allem die Bronzestatuen. Der Metallklumpen hingegen wurde archiviert und wanderte zusammen mit den anderen Artefakten ins Museum nach Athen. Was die Forscher nicht wussten: Sie hatten eine Sensation auf dem Meeresgrund gefunden, den ältesten Computer der Welt – jedenfalls ist bislang noch kein älteres Exemplar aufgetaucht.
Ein einzigartiger archhäologischer und astronomiegeschichtlicher Fund
Durch Zufall entdeckte der griechische Archäologe Valerios Stais zwei Jahre später den seltsamen Fund in einer Asservatenkammer des Museums und sah sich diesen komischen Gegenstand aus Bronze einmal genauer an. Leider war er in mehrere Teile zerbrochen, aber Stais erkannte schnell, dass er etwas Außergewöhnliches vor sich hatte.
Zusammen mit anderen Archäologen versuchte er den Fund von Antikythera zu enträtseln und dabei kam eine Sensation zu Tage. Was auf den ersten Blick wie ein Durcheinander von Bronzescheiben und Zeigern wirkte, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als ein mathematisches Instrument mit 32 Zahnrädern und 82 unterschiedlichen Fragmenten für den Mechanismus.
Was man aus diesen Einzelteilen aber alles ablesen und berechnen konnte, fanden Forscher erst seit den 1970er Jahren heraus – und die Forschung ist noch lange nicht beendet, denn neue Geräte wie etwa Computertomographen ermöglichen genauere Blicke ins Innere als je zuvor.
Rechner von Antikythera sogar mit Gebrauchsanweisung versehen
Anfang der 1970er Jahre gelang es, das mysteriöse Instrument – von dem man annimmt, dass es vom genialen Mathematiker Archimedes gebaut wurde – so zusammenzusetzen, dass die einzelnen Mechanismen entschlüsselt werden konnten.
So kann das Gerät zum Beispiel exakt eine Mond- und eine Sonnenfinsternis berechnen und auch die genaue Berechnung der Mondphasen ist möglich. Sehr wahrscheinlich kann auch die genaue Konstellation der Planeten zueinander berechnet werden, aber die „Gebrauchsanweisung“, die auf den 200 Bronzeplatten steht, konnte bisher nur bruchstückartig entziffert werden. Was die Forscher aber zweifelsfrei wissen: Das antike Instrument verfügte über eine Art Terminplaner.
Verschiedene Wissenschaftler haben das Gerät rekonstruiert. Während man für das Original nach Athen reisen muss, kann man in Kassel einen Blick auf einen Nachbau werfen: Das Astronomisch-Physikalische Kabinett in der Orangerie hat eine Nachbildung.
Seit 2005 wird der antike Rechencomputer erneut genauestens unter die Lupe genommen im Antikythera Mechanism Research Project, einem Gemeinschaftsprojekt verschiedener Universitäten und Sponsoren. Im Frühjahr 2011 soll in ein Athen ein Symposium über die Inschriften auf der antiken Rechenmaschine stattfinden. Sie sind noch nicht vollständig entziffert.
Auch wenn der erste analoge Computer noch immer Rätsel aufgibt, hat sich der Computerspezialist Andrew Carol an die Arbeit gemacht und den antiken PC aus 1.500 Legosteinen mit 110 Zahnrädern nachgebaut und das in nur 30 Tagen.
Astronomisch-Physikalisches Kabinett in der Orangerie, An der Karlsaue 20 c, Kassel, Tel. +49 (0)561 / 3 16 80-500, Öffnungszeiten: Di–So und feiertags 10–17 Uhr, Mo geschlossen, 24., 25. und 31. Dezember geschlossen; 1. Januar 12–17 Uhr
Foto: Marsyas
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