Der Twitter-Virus grassiert schon längst nicht mehr nur im Internet, sondern hat inzwischen auch schon die Printmedien fröhlich infiziert. Davon legt das Buch „Twitter – Das Leben in 140 Zeichen“ aus dem Pons-Verlag ein humoriges Zeugnis aus dem prallen Netz-Alltag ab. Doch nicht nur Leseratten abseits der Hotspots können jetzt anregendes Gezwitscher fernab von WLAN & Co. genießen. Denn Twittern ist ab sofort der neue analoge Kommunikationstrend in Küchen, Kinderzimmern und Kulturschmieden.
Fasse Dich kurz!
Diese Aufforderung, die früher an öffentlichen Telefonzellen zur Disziplin mahnte, ist auch bei den Tweets eine klare Ansage. Denn die literarische Herausforderung besteht darin, einen mehr oder weniger weltbewegenden Gedanken in maximal 140 Zeichen niederzuschreiben. Das ist gar nicht so leicht, wie es sich zunächst anhört. Denn wenn das Herz voll ist und der Mund überläuft, sind 140 Zeichen noch nicht mal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wer sich hier erstmal ein wenig in die Gefilde des minimalistischen Sprachausdrucks eingewöhnen möchte, dem sei die vorbereitende Entdeckung des Haiku empfohlen.
Das Haiku ist die kürzeste Gedichtform der Welt mit langer japanischer Tradition. Im Haiku sind allerdings nicht die Zeichen, sondern die Silben limitiert. Da müssen drei Zeilen mit maximal 5 – 7 – 5 Silben dafür ausreichen, das Gefühlte und Erlebte knackig kurz und in würziger Kürze exakt auf den Punkt zu bringen. Und wer sich in dieser Kunst erst mal lustvoll geübt hat, für den ist auch anspruchsvolles Twittern kein Problem mehr. Aber Vorsicht: Sowohl das Haiku dichten als auch das Tweets verfassen kann hochgradig süchtig machen.
Küche & Co. als Twitter-Zentrum
In den meisten Haushalten mit mehr als einer Person ist das Hinterlassen kleiner Nachrichten an der Kühlschranktür zur lieben Gewohnheit geworden. Doch das geht auch twittiger. Dazu braucht man nur eine Rolle Toilettenpapier möglichst dicker und fester Qualität, und einen Kugelschreiber mit einer maximal breiten Minenspitze. Und schon kann das gesellige Twittern abrollen. Jeder, der etwas mitteilen möchte, darf dies auf einem Blatt Toilettenpapier tun. Der Nächste betwittert dann das nächste Blatt. Und so geht es immer weiter. Ein Tweet folgt dann dem anderen, bis die nächste Rolle Toilettenpapier den literarischen Reigen weiterlaufen lässt.
Wenn man seine Tweets dabei mit Datum versieht, hat man in einer späteren literarischen „Werkschau“ mit Sicherheit einen Heidenspaß. Das reicht auch allemal als Stimmungsvorrat für eine lustige Mottoparty mit dem Thema „Nur nichts abreißen lassen“. Das Toilettenpapier-Twittern eignet sich übrigens als humorvolle Grundidee für alle Orte der Wohnung. Natürlich auch für die Stillen.
Tweets für das Mikro-Tagebuch
Viele Menschen würden gerne ein Tagebuch führen, scheuen sich aber vor dem tagtäglichen Schreibzwang sowie vor der vielen Zeit, die die regelmäßigen Tagebucheintragungen kosten könnten. Hier schafft das persönliche Twittern eine empfehlenswerte Abhilfe. Alles, was dazu nötig ist, ist eine trendige Asia-Kladde, ein schicker kleiner Kalender oder eine andere Form des attraktiven Notizbüchleins nach individuellem Geschmack. Ab jetzt wird jeden Tag ein Tweet im neu begonnenen Mikro-Tagebuch niedergeschrieben.
Das bringt dem Chronisten in eigener Sache drei große Vorteile. Erstens: Mit maximal 140 Zeichen ist jeder Tagebucheintrag komplett erledigt, was jede Menge Zeit und Platz spart. Zweitens: Man muss sich wirklich sehr genau überlegen, was von jedem einzelnen Tag an Erinnernswertem übrig bleiben soll. Das schult den Blick für die wesentlichen Gefühle, Gedanken und Erlebnisse ganz enorm. Und drittens: Nimmt man das Twittertagebuch später mal in einer besinnlichen Stunde zur Hand, helfen die kurzen und prägnanten Einträge punktgenau bei der eigenen autobiographischen Orientierung. Außerdem lassen sich Tagebücher umso besser in Geheimverstecken verbergen, je kleiner sie sind.
Man sieht es ganz deutlich: Twittern kann man auch ohne Internet und ohne Computer. Sogar gänzlich ohne Publikum, Pardon, ohne „Follower“. Auch wenn diese Einsicht so neu ist, dass die Spatzen sie im Moment noch nicht von allen Dächern pfeifen.
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